Leitsatz (amtlich)

Im Verfahren über den versicherungsrechtlichen Versorgungsausgleich sind einstweilige Anordnungen unzulässig.

 

Normenkette

BGB § 1587 ff.; ZPO § 621g

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 403 F 3083/02)

 

Tenor

Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 370 Euro.

 

Gründe

Das AG hat durch Verbundurteil vom 29.11.1994 bei Scheidung der Ehe Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. monatlich 349,33 DM, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 31.8.1993, zu Gunsten der Antragsgegnerin begründet. Inzwischen beziehen beide Parteien eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Im vorliegenden Hauptsacheverfahren beim AG beantragt der Antragsteller eine Abänderung nach § 10a VAHRG. Im Rahmen dieses Verfahrens hat er den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, dahingehend, dass analog § 10b VAHRG hinsichtlich der Durchführung des Versorgungsausgleich ein Zahlungsverbot erlassen werden solle.

Das AG hat im Hauptsacheverfahren die Einholung neuer Auskünfte der BfA angeordnet. Diejenige für die Antragsgegnerin liegt vor, die für den Antragsteller noch nicht. Durch den angefochtenen Beschluss hat das AG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

Die nach § 19 FGG zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das AG hat zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung mangels Rechtsgrundlage abgelehnt.

Allerdings ist im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit gewohnheitsrechtlich anerkannt, dass das Gericht einstweilige Anordnungen erlassen kann, auch wenn eine ausdrückliche gesetzliche Regelung fehlt. Im Bereich der Familiensachen galt dieser Grundsatz insbesondere in isolierten Verfahren nach § 621 Abs. 1 Nr. 1–3 ZPO. Insoweit fehlte bis zum 1.1.2002 eine gesetzliche Regelung. Demgegenüber gab es spezielle gesetzliche Regelungen in den Familiensachen des § 621 Nr. 7 ZPO in der Hausratsverordnung. Im Bereich des Versorgungsausgleichs besteht nach wie vor eine gesetzliche Ermächtigung zum Erlass einstweiliger Anordnungen in Verfahren über den verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich gem. § 3a Abs. 9 VAHRG. Für den Bereich des versicherungsrechtlichen Versorgungsausgleichs, um den es hier geht, ist die Auffassung nicht vertreten worden, dass durch einstweilige Anordnungen im laufenden Versorgungsausgleichsverfahren in die Höhe von Rentenzahlungen der Versicherungsträger eingegriffen werden könnte.

Dem System des versicherungsrechtlichen Versorgungsausgleichs sind vorläufige Regelungen fremd. Selbst Hauptsacheentscheidungen können vor Eintritt der formellen Rechtskraft keine Wirkungen entfalten (§ 53g Abs. 1 FGG). Die Gestaltungswirkung der Entscheidungen soll erst eintreten, wenn eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt.

Durch Art. 4 des Gesetzes zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung vom 11.12.2001 hat der Gesetzgeber in Art. 4 die bisher bestehende Lücke in den gesetzlichen Regelungen einstweiligen Rechtsschutzes im Bereich der dem FGG unterliegenden Familiensachen durch Ein-führung des § 621g ZPO geschlossen. Nach dieser Vorschrift können in den Familiensachen nach § 621 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 oder 7 einstweilige Anordnungen erlassen werden. Damit hat der Gesetzgeber die bisherige wohnheitsrechtlich anerkannten einstweiligen Regelungen in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit dem Recht der einstweiligen Anordnungen in Ehesachen nach der ZPO unterstellt. Hätte der Gesetzgeber auch einstweilige Anordnungen im Bereich des Versorgungsausgleichs – über den bereits geregelten Fall des § 3a Abs. 9 VAHRG hinaus – zulassen wollen, hätte es nahe gelegen, dies bei der Fassung von § 621g ZPO zum Ausdruck zu bringen. Dafür, dass die Erwähnung von § 621 Nr. 6 ZPO bei der Fassung des neuen § 621g ZPO versehentlich unterblieben wäre, bestehen keine Anhaltspunkte. Vom Gegenteil ist auszugehen, da auch zuvor es nicht der gerichtlichen Praxis entsprach in Versorgungsausgleichsverfahren – abgesehen vom Bereich des § 3a Abs. 9 VAHRG – einstweilige Anordnungen zu erlassen.

Der Antragsteller kann sein Begehren auch nicht auf eine entsprechende Anwendung von § 10d VAHRG stützen. Diese Vorschrift ermächtigt nicht zum Erlass einstweiliger Anordnungen oder sonstiger Entscheidungen des FamG sondern normiert unmittelbar, unter welchen Voraussetzungen der Versorgungsträger verpflichtet ist, Zahlungen zu unterlassen. Diese Verpflichtung folgt unmittelbar aus dem Gesetz und kann sich nicht aus einer Anordnung durch das FamG herleiten. Streitigkeiten über das Ausmaß dieser Verpflichtung sind vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit auszutragen.

Selbst wenn eine einstweilige Anordnung im vorliegenden Fall grundsätzlich zulässig wäre, bestünde kein Anlass zum Erlass einer solchen. Solange die Rentenauskunft für den Antragsteller nicht vorliegt, bestehen keine Anhaltspunkte dafü...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?