Entscheidungsstichwort (Thema)
Veranstaltung von Sportwetten
Leitsatz (amtlich)
Die Veranstaltung von Sportwetten erfüllt in der durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006 (NJW 2006, 1261) entstandenen Übergangszeit bis zum 31.12.2007 aus verfassungs- und gemeinschaftsrechtlichen Gründen nicht den Straftatbestand des § 284 StGB.
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Aktenzeichen 502 Js 23110/06 - 12 KLs) |
Gründe
Mit der Anklageschrift vom 26.2.2007 wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeschuldigten vor, in der Zeit vom 1.6.2006 bis zum 30.11.2006 ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet zu haben, wobei er gewerbsmäßig gehandelt habe - Straftat gem. § 284 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB. Er habe ein öffentlich zugängliches Wettbüro in O1 betrieben und dort einem unbegrenzten Personenkreis die Möglichkeit des Abschlusses von Sportwetten mit festen Gewinnquoten - sog. ...wetten - über die Firma A1 Handelsgesellschaft mbH mit Sitz in O2/L1 eröffnet. Diese österreichische Gesellschaft verfüge zwar ausweislich eines sichergestellten Vermittlervertrages über eine Genehmigung des Magistrats der Stadt O2 zur gewerbsmäßigen Vermittlung und zum gewerbsmäßigen Abschluss von Wetten aus Anlass von sportlichen Veranstaltungen. Eine solche ausländische Genehmigung führe aber nicht zur Straflosigkeit, da § 1 Abs. 1 des hessischen Gesetzes über staatliche Sportwetten, Zahlenlotterien und Zusatzlotterien in Hessen eine Alleinbefugnis des Landes Hessen zur Veranstaltung von Sportwetten innerhalb seines Staatsgebiets begründe. Diese Vorschrift ist zum 1.1.2008 aufgehoben und durch die inhaltsgleiche Norm in § 6 des hessischen Glücksspielgesetzes vom 12.12.2007 ersetzt worden.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, eine Strafbarkeit des in Rede stehenden Verhaltens des Angeschuldigten könne nicht mit hinreichender Sicherheit angenommen werden. Infolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006 - Az. 1 BvR 1054/01 -, wonach das staatliche Wettmonopol mit dem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar sei, gleichwohl das Bundesverfassungsgericht eine bis zum 31.12.2007 gültige Weitergeltensanordnung getroffen habe, sei durch Verwaltung und Rechtsprechung eine extrem unklare Rechtslage geschaffen worden. Deren Risiko dürfe nicht einseitig dem Normadressaten aufgebürdet werden, mit der Folge, dass von einem unvermeidbaren Verbotsirrtum des Angeschuldigten im Sinne von § 17 Satz 1 StGB auszugehen sei.
Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom 6.11.2007. Mit dieser wird insbesondere auf verschiedene Entscheidungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs verwiesen, nach denen der Anwendung von § 284 StGB auf einen Sachverhalt wie im vorliegenden Fall weder verfassungsrechtliche noch gemeinschaftsrechtliche Gründe entgegenstünden; zudem tritt die Staatsanwaltschaft der Annahme der tatsächlichen Voraussetzungen eines Verbotsirrtums im Sinne von § 17 Abs. 1 StGB entgegen. Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht ist dem Beschwerdevorbringen in ihrer Stellungnahme vom 23.11.2007 beigetreten.
Die gem. §§ 210 Abs. 2, 311 Abs. 2 StPO zulässige sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht Darmstadt hat in dem angefochtenen Beschluss im Ergebnis zu Recht die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Angeschuldigten abgelehnt. Das dem Angeschuldigten in der Anklageschrift vorgeworfene Verhalten ist nicht gemäß § 284 StGB strafbar. Der Senat folgt insofern der mittlerweile herrschenden Auffassung in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 9.3.2007 - Az. 1 Ws 61/07; OLG München, Urteil vom 17.6.2008 - Az. 5St RR 28/08; OLG Bamberg, Urteil vom 29.7.2008 - Az. 2 Ss 35/08 [jeweils zitiert nach [...]]).
Die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 284 StGB werden durch das dem Angeschuldigten vorgeworfene Verhalten nicht erfüllt. Infolge der zum bayerischen Staatslotteriegesetz ergangenen Entscheidung des BVerfG vom 28.3.2006 ist auch für die Rechtslage in Hessen vor der Neuregelung zum 1.1.2008 von einer Unanwendbarkeit dieses Straftatbestands auf den Anklagevorwurf auszugehen. Überdies steht der Anwendung dieser Strafvorschrift im vorliegenden Fall der Vorrang des europäischen Gemeinschaftsrechts entgegen.
Nach § 284 StGB macht sich strafbar, wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereitstellt. Das Fehlen der Erlaubnis ist Tatbestandsmerkmal der Norm (Fischer, StGB, 55. Aufl., § 284 Rn. 13). Der Tatbestand des § 284 StGB ist verwaltungsakzessorisch; Art, Umfang und Wirksamkeit der Erlaubnis bestimmen sich nach Maßgabe des Verwaltungsrechts (Fischer aaO § 284 Rn. 14). Die Frage des Vorliegens dieses Tatbestandsmerkmals kann damit nicht losgelöst von der verfassungsrechtlichen Beurteilu...