Leitsatz (amtlich)
1. Das grundsätzliche Einstimmigkeitserfordernis des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG ist nicht dadurch abbedungen, dass in der Teilungserklärung die Zustimmung des Verwalters zu einer baulichen Veränderung und im Fall ihrer Verweigerung oder ihres Widerrufs die Herbeiführung eines Mehrheitsbeschlusses der Wohnungseigentümer vorgesehen ist.
2. Verbindet der Bauträger nach Entstehung der Wohnungseigentümergemeinschaft eine Wohnung mittels Decken- bzw. Wanddurchbrüchen mit Mehrzweckräumen, stellt dies eine bauliche Veränderung i.S.d. § 22 Abs. 1 WEG dar. Diese ist nicht allein deshalb zustimmungsbedürftig nach §§ 22 Abs. 1 Satz 1, 14 Nr. 1 WEG, weil sie eine intensivere bzw. zweckbestimmungswidrige Nutzung ermöglichen und sich daraus eine nachteilige Kostenverteilung ergeben könnte.
Normenkette
BGB § 1004 Abs. 1; WEG § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 3, § 22 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Aktenzeichen 4 T 80/03) |
Gründe
Die Antragsteller bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft X.-Str. ... und ...a in O1, bei der es sich um eine aus zwei Mehrfamilienhäusern bestehende Wohnanlage handelt. Vor der Teilung war die Antragsgegnerin Alleineigentümerin des Grundstücks. Sie war zur Zeit der Antragstellung vor dem AG im Juli 1999 noch als Wohnungseigentümerin der Erdgeschosswohnungen Nr. 1, 2 und 3 sowie der Mehrzweckräume Ma, Mb und Mc im Kellergeschoss des Hauses X.-Str. ... eingetragen. Zwischenzeitlich veräußerte die Antragsgegnerin die Einheiten.
Die Rechtsnachfolger wurden im Grundbuch eingetragen.
Das Gebäude X.-Str. ... war zum Zeitpunkt der Antragstellung im Juli 1999 noch nicht fertiggestellt. Die Antragsgegnerin ließ in den Erdgeschosswohnungen 2 und 3 jeweils ein Loch im Boden mit ca. 1,50 m Durchmesser zu den darunter liegenden Einheiten Ma, Mb und Mc fertigen und errichtete dort Spindeltreppen, so dass die Mehrzweckräume mit den Wohnungen verbunden wurden.
Zwischen den Sondereigentumseinheiten Ma und Mb nahm die Antragsgegnerin einen Wanddurchbruch vor. Den Eingang zu dem Mehrzweckraum Mb mauerte sie zu.
Diese Maßnahmen, die nach der rechtlichen Invollzugsetzung der Wohnungseigentümergemeinschaft vorgenommen wurden, widersprachen der Teilungserklärung und den ursprünglichen Bauplänen.
Die Antragsteller begehren die Rückgängigmachung der baulichen Maßnahmen.
Die Grundstückskaufverträge, die die Antragsgegnerin über die Wohneinheiten abgeschlossen hat, enthielten in § 11 eine Klausel, nach der sämtliche Kaufvertragsparteien unwiderruflich und unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB die Notariatsmitarbeiterin bevollmächtigten, "die Teilungserklärung in jeder Hinsicht abzuändern sowie alle dafür notwendigen Erklärungen abzugeben und entsprechende Bewilligungen, Anträge zu erklären." Im Innenverhältnis war der Verkäufer gebunden, die Teilungserklärung nur insoweit zu ändern, als die Änderungen sich auf das jeweilige Kaufobjekt nicht wertmindernd auswirkten und zur Bebauung des Grundstücks oder zur Durchführung der Kaufverträge notwendig oder sachdienlich waren. Die Vollmachten endeten ein Jahr nach Eigentumsumschreibung. Im Außenverhältnis waren sie auflagen- und bindungsfrei.
Nach § 5 Satz 2 der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung bedürfen Veränderungen an oder in der Wohnanlage, durch die das gemeinschaftliche Eigentum oder das Sondereigentum eines anderen Wohnungseigentümers berührt werden, der schriftlichen Einwilligung des Verwalters. Nach dem in § 5 Satz 2 für entsprechend anwendbar erklärten § 4 Abs. 6 der Teilungserklärung (Bl. 44, 48 d.A.) heißt es:
"Der Verwalter kann eine erteilte Einwilligung widerrufen, wenn sich eine für die Erteilung maßgebliche Voraussetzung ändert oder Auflagen nicht eingehalten werden. Erteilt der Verwalter die erforderliche Einwilligung nicht oder widerruft er sie, so kann der Wohnungseigentümer einen Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer herbeiführen (einfache Mehrheit der anwesenden Wohnungseigentümer)."
In der Wohnungseigentümerversammlung vom 13.12.1999 wurde die Verwalterin durch Mehrheitsbeschluss angewiesen, die Zustimmung zu den baulichen Änderungen zu erteilen. Die Anfechtung dieses Beschlusses im Verfahren mit dem Az. 61 UR II 169/99 - AG Wiesbaden - wurde rechtskräftig zurückgewiesen, der Verwalter erteilte seine Zustimmung jedoch bislang nicht. In dem hierzu ergangenen Senatsbeschluss vom 24.4.2002 - 20 W 354/00 - hat der Senat offen gelassen, ob trotz des Mehrheitsbeschlusses noch die Zustimmung aller Wohnungseigentümer zu den baulichen Veränderungen erforderlich bleibt.
Die Antragsteller haben geltend gemacht, es liege eine unzulässige bauliche Veränderung vor, da die Abgeschlossenheit der einzelnen Einheiten aufgehoben sei. Eine übermäßige Nutzung sei zu befürchten, weil der Sinn der baulichen Maßnahmen in einer Nutzung der Mehrzweckräume zu Wohnzwecken bestehe. Sie sind der Auffassung gewesen, neben der Verwalterzustimmung müssten noch sämtliche Wohnungseigentümer die baulichen Veränderungen genehmigen. Allein die Verwalterzustimmung begründe kein...