Leitsatz (amtlich)
Höhere Kosten eines "Unfallersatztarifs" erweisen sich als erstattungsfähig, sofern im Rahmen dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation besondere Leistungen erbracht wurden, die einen entsprechend höheren Preis aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen.
Normenkette
BGB § 249
Verfahrensgang
LG Gießen (Aktenzeichen 2 O 48/06) |
Tenor
Nach Einschätzung des Senats dürfte die Berufung des beklagten Landes keinen Erfolg haben. Denn der Klägerin stehen aus abgetretenem Recht Mietwagenkosten jedenfalls in der vom LG ausgeurteilten Höhe zu.
Gründe
Auf der Grundlage der neuesten Rechtsprechung des BGH (zu den im landgerichtlichen Urteil zitierten Entscheidungen außerdem noch BGH v. 25.10.2005 - VI ZR 9/05, MDR 2006, 686 = BGHReport 2006, 232 = NJW 2006, 360; BGH v. 14.2.2006 - VI ZR 126/05, BGHReport 2006, 841 = MDR 2006, 1105 = NJW 2006, 1506 und BGH v. 14.2.2006 - VI ZR 32/05, MDR 2006, 1106 = BGHReport 2006, 700 = NJW 2006, 1508 sowie BGH v. 4.4.2006 - VI ZR 338/04, BGHReport 2006, 1016 = MDR 2006, 1107 = NJW 2006, 1726) ergibt sich Folgendes:
1. Auszugehen ist für die "Erforderlichkeit" des Aufwandes zur Schadensbeseitigung gem. § 249 BGB vom "Normaltarif"; höhere Kosten eines "Unfallersatztarifs" erweisen sich als erstattungsfähig, sofern im Rahmen dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation besondere Leistungen erbracht wurden, die einen entsprechend höheren Preis aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen. Allerdings erweist sich der höhere Preis des Unfallersatztarifs insoweit als "erforderlich", als der "Normaltarif" nicht zugänglich war.
Hier haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 14.3.2006 unstreitig gestellt, dass der Normaltarif der Klägerin für Nichtunfallsituationen 133 EUR netto pro Tag betrug. Der Senat entnimmt dem weiteren, auch außerprozessualen Vorbringen des Beklagten, dass dieser bereit war, nach dem Normaltarif der Klägerin abzurechnen. Legt man den genannten Wert für 10 Tage Mietzeit sowie den nicht bestrittenen Aufwand für Anliefern und Abholen von je 25,57 EUR netto zugrunde, ergibt sich ein Gesamtbetrag von 1.602,12 EUR brutto. Gezahlt hat der Beklagte bisher aufgrund einer Berechnung, die aus der Zeit vor Offenlegung des Normaltarifs der Klägerin stammt und die nicht im Einzelnen Gegenstand des Verfahrens 1. Instanz geworden ist, lediglich 329,69 EUR plus 890 EUR, also 1.219,69 EUR. Demzufolge ist nicht nachvollziehbar, inwiefern die Berufung im Umfang des Differenzbetrages von 1.219,69 EUR zu 1.602,12 EUR, also i.H.v. 382,43 EUR begründet sein könnte, zumal sich in der Berufungsbegründung zu diesem Teil der Mietwagenkosten keinerlei Ausführungen finden. Es verbleibt daher lediglich ein Betrag von 308,56 EUR, bei dem es sich um die 20 % plus MwSt handelt, um die das LG einen höheren Unfallersatztarif nach seiner Schätzung (§ 287 ZPO) als gerechtfertigt angesehen hat. Diesen Betrag nimmt die Klägerin ausweislich ihrer Ausführungen in der Berufungserwiderung vom 7.7.2006 hin.
2. Die Ausführungen der Berufungsbegründung zur Frage, wie hoch eine "Vorfinanzierung" durch die Klägerin im Rahmen des Unfallersatztarifs ausfallen könne, lassen außer Betracht, was das LG schlagwortartig mit "Vorfinanzierung" auf der Grundlage der Gegebenheiten des vorliegenden Falls gemeint hat. Es geht nicht nur um die "Vorfinanzierung" im engeren Sinn für die Zeit, in welcher der Pritschenwagen vom Geschädigten gemietet war, also - so das Rechenbeispiel im Anschluss offenbar an einschlägige Literaturstimmen auf S. 2 des Schriftsatzes vom 18.7.2006 - darum, dass die Miete erst bei Rückgabe des Fahrzeugs und nicht bereits bei Andienung fällig sein sollte. Vielmehr besteht die zusätzliche Leistung der Klägerin ggü. dem Normaltarif ausweislich des landgerichtlichen Urteils darin, dass sie die voraussichtlichen Mietkosten und insb. die Selbstbeteiligung finanziert, sie darüber hinaus auf die Hinterlegung einer Kaution verzichtet und wegen des Verzichts auf eine Sicherheitsleistung oder Barzahlung bei Beginn des Mietzeitraums das Risiko des Forderungsausfalls trägt. Diese zusätzliche Leistung hat das LG auf 20 % des Normaltarifs geschätzt, wobei dahinstehen mag, ob die Zusatzleistung einschließlich dieses Risiko des Forderungsausfalls zutreffend geschätzt ist oder sich - was im Rahmen einer Schätzung noch hinzunehmen wäre - im oberen Bereich einer in Betracht kommenden Marge bewegt. Diese besondere Leistung ist auch entgegen den Ausführungen auf S. 2 de Berufungsbegründung als auf der Unfallsituation beruhend anzusehen. Denn dieses Risiko nimmt die Klägerin nur einem Unfallsgeschädigten ab, der aufgrund des Unfalls plötzlich ohne verkehrstüchtiges Fahrzeug dasteht; dagegen übernimmt sie dieses Risiko beim Normaltarif ggü. dem Mieter eines Fahrzeugs nicht, sondern hier muss der Mieter vorauszahlen oder Sicherheit leisten, wenn er - um im Beispiel der Berufungsbegründung zu bleiben - sich aus freien Stücken entschließt, etwa für einen Wochenendausflug einen größeren...