Entscheidungsstichwort (Thema)
Führungsaufsicht. Höchstdauer
Leitsatz (amtlich)
Die Dauer der von Gesetzes wegen eintretenden Führungsaufsicht kann nach pflichtgemäßem Ermessen bereits im Rahmen der inhaltlichen Ausgestaltung bei ihrem Eintritt festgelegt werden.
Normenkette
StGB § 68 Abs. 2, § 68f Abs. 1, § 68d; StPO § 463 Abs. 2, § 453 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
LG Fulda (Entscheidung vom 22.06.2010; Aktenzeichen 5 StVK 230/10) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit in Ziff. 2 die Dauer der Führungsaufsicht auf 3 Jahre festgesetzt wurde.
Im Umfange der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Beschwerde, an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.
Gründe
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die kraft Gesetzes (§ 68 f I StGB) eintretende Führungsaufsicht nicht gem. § 68 f II StGB entfallen lassen und hat diese inhaltlich ausgestaltet. In Ziff. 2 hat sie die Dauer der Führungsaufsicht auf 3 Jahre festgesetzt. Nur gegen letztgenannte Entscheidung wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer zulässigen Beschwerde, der die Kammer nicht abgeholfen hat und die in der Sache einen - zumindest vorläufigen - Erfolg hat.
Zwar war die Strafvollstreckungskammer nicht aus Rechtsgründen gehindert, die kraft Gesetzes eintretende Führungsaufsicht in ihrer Höchstdauer bereits vorab zu reduzieren. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz (NStZ 2000,92), dass eine Abkürzung frühestens zeitnah zum Ablauf der Mindestdauer von 2 Jahren, also nur als Nachtrags entscheidung gem. § 68d StGB getroffen werden könne (noch offen gelassen in Senat, Beschl. v. 02.07.2009 - 3 Ws 571/09). Vielmehr ist mit dem OLG Oldenburg (NdsRpfl 2007, 59) und dem OLG Dresden (NStZ-RR 2010, 126; Beschl. v. 02.07.2008 - 2 Ws 380/08 -juris) davon auszugehen, dass die Strafvollstreckungskammer bereits bei Ausgestaltung der Führungsaufsicht in Verbindung mit der Feststellung, dass die Maßregel nicht entfällt (§ 68 f II StGB), die Dauer der Führungsaufsicht nach pflichtgemäßen Ermessen auf der Grundlage einer Prognose bestimmen kann (so im Ergebnis bereits Senat, Beschl. v. 19.07.2010 - 3 Ws 629/10 und Beschl. v. 04.11.2009 - 3 Ws 945/09). Dass die Kammer an einer zuverlässigen prognostischen Einschätzung über die erforderliche Dauer der Einwirkung der Maßregel "aus der Natur der Sache" gehindert sein soll, wie die Gegenmeinung vertritt, ist nicht erkennbar (OLGe Dresden und Oldenburg aaO., differenzierend Fischer, StGB, 53. Aufl., § 68c Rn 3).
Der gem. §§ 463 II, 453 II 2 StPO eingeschränkten Überprüfung durch den Senat hält die Entscheidung jedoch nicht stand, weil sie nicht in einer Weise begründet ist, dass sie eine Überprüfung auf Ermessenfehlerfreiheit ermöglicht. In der Entscheidung sind die Anknüpfungstatsachen darzulegen und der Abwägungsprozess zu verdeutlichen, dass und warum gerade bei diesem Verurteilten eine geringere Dauer als 5 Jahre Führungsaufsicht erforderlich sind (vgl. OLG Dresden aaO., zur Begründungspflicht allgemein vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 2009, 260). Hieran fehlt es.
Im angefochtenen Beschluss findet sich keinerlei Begründung, diejenige des Nichtabhilfebeschlusses, der die Dauer von 3 Jahren als "zunächst ausreichend" bezeichnet, ist rein formelhaft. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die bei der Entscheidung nach § 68f II StGB erwähnten - zunächst positiven - Gesichtpunkte, nämlich die feste Bindung des Verurteilten zu seiner Ehefrau und die beabsichtigte Arbeitsaufnahme ausschlaggebend für die Abkürzung sein sollten. In der in Bezug genommenen Entscheidung der Strafvollstreckungskammer Darmstadt vom 01.12.2009 wird diesen nämlich keine prognostische Relevanz zugebilligt. Jedenfalls mangelt es an der erforderlichen Abwägung mit den gravierenden negativen Faktoren.
Da es dem Senat als Folge des § 453 II 2 StPO aus Rechtsgründen versagt ist, sein Ermessen an dasjenige der Strafvollstreckungskammer zu setzen, war Ziff. 2 des Beschlusses aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Dauer der Führungsaufsicht zurückzuverweisen. Sollte sich der Vortrag der Generalstaatsanwaltschaft zutreffen, dass der Verurteilte im offenen Vollzug eine weitere Straftat begangen hat, wird die Kammer diesen Umstand in die Abwägung einzustellen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 2705037 |
NStZ-RR 2010, 390 |