Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschein
Leitsatz (redaktionell)
Ein Antragsteller, der einen Erbschein aufgrund testamentarischer Erbfolge begehrt, hat das Testament vorzulegen, auf dem sein Erbrecht beruht, sofern sich das Gericht nicht schon durch frühere Ablieferung und Eröffnung im Besitz der Urkunde befindet.
Der Nachweis des Vorhandenseins eines Testaments ist erst dann erbracht, wenn zu voller Überzeugung des Gerichts feststeht, dass im Zeitpunkt des Erbfalls das Testament vorhanden war und welchen Inhalt es hatte.
Normenkette
BGB §§ 2355-2356
Verfahrensgang
LG Kassel (Beschluss vom 25.04.2000; Aktenzeichen 3 T 203/00) |
AG Korbach (Aktenzeichen 9 VI S 116/97) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Prüfung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, das auch darüber zu entscheiden haben wird, wer die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu tragen hat.
Gründe
Der Erblasser ist am 21.03.1997 verstorben. Er war seit dem 17.10.1975 in zweiter Ehe mit der Beteiligten zu 1) verheiratet. Der Erblasser hat drei Kinder und zwar aus seiner ersten Ehe einen Sohn, den Beteiligten zu 2), sowie zwei nichteheliche, 1969 geborene Töchter. Die Beteiligte zu 1) hat eine Tochter.
Am 28.09.1999 hat die Beteiligte zu 1) eine Erbschein beantragt, der sie als Alleinerbin ausweist. Dazu hat sie angegeben, es habe ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament von 1996 existiert. Dieses sei im Zeitpunkt des Todes ihres Ehemannes noch vorhanden gewesen. In diesem Testament hätten sie sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Bei gleichzeitigem Tod sollten der Beteiligte zu 2) und ihre Tochter Erben sein. Ihre Tochter und deren Ehemann hätten das Testament nach dem Tode des Erblassers noch gesehen und gelesen. Die Beteiligten zu 1) hat weiter angegeben, das Testament sei jetzt aber nicht mehr auffindbar. Wahrscheinlich habe sie es weggeworfen, da sie zum damaligen Zeitpunkt nervlich ziemlich krank und depressiv gewesen sei.
Das Amtsgericht hat die Beteiligte zu 1) am 20.01.2000 persönlich angehört und deren Tochter sowie den Schwiegersohn vernommen (Bl. 16 ffd. A.). Die Sitzungsniederschrift hat es alsdann dem Beteiligten zu 2) zur Stellungnahme übersandt. Der Beteiligte zu 2) hat mitgeteilt, dass er von der Existenz des gemeinschaftlichen Testaments nichts gewusst habe. Er hat der Erteilung des beantragten Erbscheins widersprochen. Durch Beschluss vom 22.02.2000 (Bl. 24 ff d. A.) hat das Amtsgericht daraufhin angekündigt, der Beteiligten zu 1) den beantragten Erbschein erteilen zu wollen, falls gegen diesen Beschluss nicht binnen zwei Wochen Beschwerde eingelegt werde. Letzteres hat der Beteiligte zu 2) getan. Die Beschwerde ist beim Landgericht jedoch erfolglos geblieben (Beschluss vom 25.04.2000, Bl. 42 ff d. A.).
Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 27, 29 I, IV, 20, 21 FGG). In der Sache fuhrt das Rechtsmittel zur Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
Ein Antragsteller, der einen Erbschein aufgrund testamentarischer Erbfolge begehrt, hat das Testament vorzulegen, auf dem sein Erbrecht beruht (§§ 2355, 2356 BGB), sofern sich das Gericht nicht schon durch frühere Ablieferung und Eröffnung im Besitz der Urkunde befindet (Palandt-Edenhofer, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl. 2001, § 2356 BGB Rn 9). Grundsätzlich ist es zwar möglich, dass das Vorhandensein eines gültigen, aber verschwundenen Testaments auch durch andere Beweismittel bewiesen werden kann. In einem solchen Fall können Errichtung und Inhalt des Testaments zwar mit allen zulässigen Beweismitteln bewiesen werden. An den Nachweis sind aber strenge Anforderungen zu stellen (OLG Köln, FamRZ 1993, 1253 ff; BayObLG, FamRZ 1992, 1323 ff m. Anm. von Pohlmann, Rpfleger 1992, 484 ff; BayOblG FamRZ 1985, 839 ff, 840). Beide Instanzen haben dies verkannt und sind ihrer Amtsermittlungspflicht (§ 12 FGG) nicht in hinreichendem Umfang nachgekommen. Der Senat ist deswegen an die tatsächliche Feststellung des Landgerichts, es sei ein wirksames Testament vorhanden gewesen, in dem die Beteiligte zu 1) zur Alleinerbin bestimmt worden sei, nicht gebunden (§ 27 S. 2 FGG, § 561 II ZPO).
Bereits das Amtsgericht hätte nicht aufgrund einer formlosen Beweisaufnahme entscheiden dürfen. Zwar obliegt es im allgemeinen dem Ermessen des Gerichts, ob es sich mit formlosen Ermittlungen begnügt oder ob es in der gemäß § 15 FGG vorgesehenen Form Beweis erheben will. Das förmliche Beweisverfahren (Strengbeweis) verdient aber den Vorzug, wenn es auf die Erweisbarkeit bestimmter Einzeltatsachen ankommt, wie die Errichtung und den Inhalt eines nicht mehr vorhandenen Testaments (OLG Köln, FamRZ 1993, 1253 ff; BayObLG, FamRZ 1992, 1323 ff m. Anm. von Pohlmann, Rpfleger 1992, 484 ff). Für eine solche förmliche Beweisaufnahme bestand hier insbesondere Anlass, nachdem die Beteiligte zu 1) behauptet hat, der Beteiligte zu 2) sei über das Testament informiert gewesen, während de...