Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 07.09.2000; Aktenzeichen 92 Js 11872.0/97) |
Tenor
Die angefochtene Verfugung und die auf den 07.11., 10.11., 14.11., 17.11., 21.11., 24.11. und 28.11.2000 anberaumten Termine zur Hauptverhandlung werden aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten ... werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
Mit Eröffnungsbeschluß vom 01.09.2000 ließ die Strafkammer die von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt a. M. gegen beide Angeklagten im September 1997 erhobene Anklage wegen - teilweise gemeinschaftlichen - Betruges in einer Vielzahl von Fällen in der Zeit von Juli 1991 bis Ende 1996/Anfang 1997 zur Hauptverhandlung zu und eröffnete das Hauptverfahren. Am 07.09.2000 sprach der Vorsitzende der Kammer mit dem Büro des Verteidigers Rechtsanwalt ... insgesamt sieben Hauptverhandlungstermine in der Zeit vom 07.11. bis 28.11.2000 telefonisch ab. Ein Versuch der telefonischen Absprache mit dem Büro des Verteidigers Rechtsanwalt ... um 15.05 Uhr am selben Tag scheiterte, da die Gesprächspartnerin aus dem Büro weder Rechtsanwalt ... noch dessen Sekretärin erreichen konnte. Sie bat den Vorsitzenden daher darum, morgen d.h. am 08.09.2000, nochmals anzurufen. Der Vorsitzende bat sodann darum, Rechtsanwalt ... davon zu unterrichten, daß die Hauptverhandlungstermine wie genannt, d.h. wie mit dem Büro von Rechtsanwalt ... abgestimmt, anberaumt würden. Mit Schriftsatz vom 08.09.2000 teilte Rechtsanwalt ... sodann mit, daß er zu sämtlichen Hauptverhandlungsterminen durch andere Strafverteidigungen verhindert sei und bat, von der vorgesehenen Terminierung abzusehen, die indessen noch am 07.09.2000 vom Vorsitzenden verfugt worden war.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten ..., der der Vorsitzende der Strafkammer nicht abgeholfen hat.
Die Beschwerde ist zulässig (§304 Abs. 1 StPO). Zwar ist die ablehnende Verfügung des Vorsitzenden des erkennenden Gerichts im Hinblick auf die Vorschrift des §305 Abs. 1 StPO in der Regel unanfechtbar (vgl. KMR-Paulus StPO, lose Blattsammlung, Stand: Juni 2000, §213 Rdnr. 16). Der Angeklagte macht vorliegend aber geltend, die Terminsbestimmung ohne Abstimmung mit seinem Wahlverteidiger trage ermessensfehlerhaft seinem Recht, sich in der Hauptverhandlung eines Verteidigers seines Vertrauens zu bedienen, nicht (ausreichend) Rechnung. In einem solchen Fall ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschl. v. 27.10.94 - 3 Ws 728/94 = StV 1995, 9 m.w.N.; Beschl. v. 10.02.97 - 3 Ws 111/97) und der wohl überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung (OLG München NStZ 1994, 451; OLG Oldenburg StV 1991, 152; OLG Hamburg StV 1995, 11; OLG Hamm MDR 1975, 245; LG Hamburg StV 1988, 195 - allerdings teilweise unter Beschränkung auf evidente Ermessensfehler) und Literatur (KMR-Paulus a.a.O.; Gollwitzer in Löwe-Rosenberg StPO, 25. Aufl. §213 Rdnr. 16; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., §213 Rdnr. 8) das Rechtsmittel zulässig (a.A. OLG Schleswig SchlHA 1991, 125; OLG Stuttgart MDR 1980, 954; OLG Hamm NStZ 1989, 133; OLG Düsseldorf, JMBlNW 1995, 248).
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Aus dem Grundsatz der Terminshoheit des Vorsitzenden der Strafkammer nach §213 StPO ergibt sich zwar eine Einschränkung der Überprüfbarkeit seiner angefochtenen Verfügung. Sie ist nur dahingehend zulässig, ob der Vorsitzende bei seiner Terminierung die rechtlichen Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens eingehalten oder ob er sein Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat. Dabei hat er das staatliche Interesse an der reibungslosen und beschleunigten Durchführung des Strafverfahrens und das Interesse des Angeklagten, sich in der Hauptverhandlung des Beistands gerade eines von ihm gewählten und sein besonderes Vertrauen genießenden Verteidigers bedienen zu können, in einen angemessenen Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfG NStZ 1984, 176). Das Beschwerdegericht ist bei der Nachprüfung der Ermessensausübung darauf beschränkt zu untersuchen, ob der Vorsitzende sämtliche relevanten Gesichtspunkte in seine Entscheidung eingestellt und rechtsfehlerfrei gegeneinander abgewogen hat. Die Zweckmäßigkeit der Verfugung unterliegt dagegen nicht der Nachprüfbarkeit (Gollwitzer in LR a.a.O.; OLG Frankfurt StV 1990, 201 [202]).
Davon ausgehend erweist sich die Terminsbestimmung im vorliegenden Fall jedoch als ermessensfehlerhaft.
Zwar hat ein Verteidiger kein Recht auf vorherige Terminsabsprache. Wird aber das Recht des Angeklagten auf freie Wahl des Verteidigers dadurch eingeschränkt, daß dieser die Termine wegen anderer Verteidigungen nicht wahrnehmen kann, ohne daß er Einfluß auf die Terminsanberaumung hätte nehmen können, ist die Terminsverfügung prozeßordnungswidrig (OLG Hamburg a.a.O.). Dabei kann es dahinstehen, wie oft ein Vorsitzender versuchen muß, einen Rechtsanwalt zum Zwecke der Terminsabstimmung zu erreichen und welche Vorkehrungen wiederum ein Verteidiger treffen muß, um eine...