Leitsatz (amtlich)

Die Entscheidung nach § 67 a StGB bedarf regelmäßig der zuvorigen Einholung einer sachverständigen Stellungnahme.

 

Verfahrensgang

LG Limburg a.d. Lahn (Aktenzeichen StVK 31/06)

LG Limburg a.d. Lahn (Aktenzeichen BewH L 41)

 

Gründe

I.

Gegen den Verurteilten hat das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Betzdorf mit Urteil vom 27.2.1987 eine Einheitsjugendstrafe von 4 Jahren verhängt und die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB angeordnet. Das Landgericht Koblenz erkannte am 4.10.1990 auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 1 Monat, zugleich wurde die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB ausgesprochen.

Seit dem 7.12.2004 wird die Unterbringung im Maßregelvollzug des Psychiatrischen Krankenhauses in O1 nach § 64 StGB vollzogen.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Limburg hat am 12.6.2006 die Vollstreckung der Unterbringung und die durch Anrechnung noch nicht erledigten Strafreste zur Bewährung ausgesetzt. Der Verurteilte ist mit seinem Einverständnis angewiesen worden, sich in die Fachklinik X in O2 zu begeben, dort an der therapeutischen Nachsorgebehandlung teilzunehmen, sich einer örtlichen Suchtselbsthilfegruppe anzuschließen und regelmäßig therapeutische Gespräche in der forensischen Ambulanz der Klinik in O1 wahrzunehmen. In den Gründen führt die Kammer aus, dass die medikamentöse Weiterbehandlung mit Ritalin unter fachärztlicher Aufsicht die günstige Prognose erhöhe.

Am 28.8.2006 kehrte der Verurteilte nach Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe nicht mehr in die Fachklinik X zurück. Nachdem er sich am 30.8.2006 telefonisch beim Bewährungshelfer gemeldet hatte, fand er in einem Übergangswohnheim in O3 Unterkunft, erhielt dort aber bereits zwei Tage später Hausverbot, weil er stark alkoholisiert erschien. Der Verurteilte war sodann unbekannten Aufenthalts. Am 11.9.2006 meldete er sich telefonisch bei der forensischen Ambulanz der Klinik und räumte ein, aktuell Heroin zu konsumieren. Das Angebot einer stationären Entgiftung lehnte er ab.

Der am 24.10.2006 erlassene Sicherungshaftbefehl ist am 27.11.2006 vollstreckt worden und wird seit dem 28.11.2006 in der Klinik für forensische Psychiatrie O4, Y, vollzogen.

Mit der angefochtenen Entscheidung hat die Kammer die gewährte Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung sowie der Reststrafen widerrufen und zugleich die Rücküberweisung der Vollstreckung der Maßregel in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB angeordnet.

II.

Das gemäß §§ 453 Abs. 2 S. 3, 463 Abs. 5, 462 Abs. 3 S.1, 311 StPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde ist zulässig und hat zumindest einen vorläufigen Erfolg.

Das Verfahren der Strafvollstreckungskammer leidet an wesentlichen Verfahrensmängeln. Die Strafvollstreckungskammer war gehalten, vor Entscheidung über den Widerruf der ausgesetzten Unterbringung nach § 67 g StGB, den Widerruf der ausgesetzten Jugend- und Freiheitsstrafe nach §§ 88 Abs. 6, 26 JGG bzw. § 56 f StGB und der Rücküberweisung in den Maßregelvollzug eines psychiatrischen Krankenhauses nach § 67 a StGB zumindest eine gutachterliche Stellungnahme des ärztlichen Direktors der Klinik in O1 einzuholen.

Die Schwere der Weisungsverstöße, deren zeitliche Nähe zur bedingten Entlassung, der unbekannte Aufenthalt des Verurteilten sowie der Rückfall in den missbräuchlichen Konsum von Drogen boten zwar eine in jeder Hinsicht tragfähige Grundlage für den Erlass eines Sicherungshaftbefehls. Eine ausreichende tatsächliche Grundlage für die angefochtene Entscheidung sind diese Umstände ohne fachärztliche Stellungnahme aber nicht.

Die angeordnete Rücküberweisung in den Maßregelvollzug eines psychiatrischen Krankenhauses setzt voraus, dass die Resozialisierung des Verurteilten, d.h. die zukünftige Eingliederung in die Gesellschaft (verg. Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., § 67 a Rz. 4), dadurch besser gefördert werden kann. Diese Prognose bedarf regelmäßig sachverständiger Stellungnahme (verg. OLG Hamm NStZ 1987, 93; Tröndle/Fischer aaO). Bei der vielschichtigen, zuletzt vom ärztlichen Direktor des Psychiatrischen Krankenhauses in O1 gestellten Diagnose einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens, einer Störung durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum sonstiger psychotropen Substanzen bei hinzutretender histrionischer Persönlichkeitsstörung konnte die Kammer nicht aus eigener Sachkunde beurteilen, ob die ursprüngliche Überweisung aus dem Vollzug des psychiatrischen Krankenhauses in O4 (Y) in den Maßregelvollzug der Psychiatrischen Klinik in O1 sich als unzutreffend erwiesen hat. Die Beurteilung, ob die weitere Behandlung im Vollzug nach § 63 StGB förderlicher erscheint, kann auch nicht allein daraus abgeleitet werden, dass der Verurteilte bei Verkündung des Sicherungshaftbefehls spontan erklärt hat, er wolle "keinesfalls nach O1 zurück, sondern ins Y". Maßgeblich auf den augenblicklichen Willen des Verurteilten abzustellen, entspricht weder den gese...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?