Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Eine dem Haupttäter erteilte Duldung stellt in Bezug auf § 92 I Nr. 1 AuslG keinen Strafausschließungsgrund, sondern ein negatives Tatbestandsmerkmal dar. Gleiches gilt für das Bestehen eines Duldungsanspruchs. Letztgenannter schließt danach den Tatbestand des unerlaubten Aufenthaltes nach § 92 I Nr. 1 AuslG aus, woraus in diesen Fällen auch die Straflosigkeit der Beihilfe folgte.

  • 2.

    Der Senat neigt dazu, an seiner Auffassung, wonach Unterstützungshandlungen, wie die bloße Gewährung von Unterkunft und Verpflegung oder die Entlohnung von Arbeitsleistungen, keine Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt darstellen sollen, wenn der Ausländer unabhängig davon zur Fortsetzung seines Aufenthaltes fest entschlossen ist und er keiner Bestärkung seines Tatentschlusses mehr bedurfte, nicht länger festzuhalten (entgegen BayObLG, NJW 2002, 1663; NStZ 1999, 767; OLG Düsseldorf, StV 2002, 312).

  • 3.

    Vielmehr ist darauf abzustellen, ob durch die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung oder die Entlohnung von Arbeitsleistungen die Fortsetzung des unerlaubten Aufenthaltes des Ausländers in seiner konkreten Gestaltung gefördert oder erleichtert wurde. Dies liegt bei der Beschäftigung illegal in Deutschland sich aufhaltender Ausländer nahe. Überlegungen, dass der Ausländer ansonsten durch eine Erwerbstätigkeit bei einem anderen Unternehmer oder durch die Finanzierung seines Lebensunterhaltes auf andere Weise seinen Aufenthalt hätte sichern können, stellen demgegenüber Erwägungen zu hypothetischen Kausalverläufen dar, die für die Frage der Strafbarkeit des Gehilfen ohne Bedeutung sind.

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 7810 Js 208487/02 916 B Cs)

 

Gründe

Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat den Angeklagten am 22.08.2003 wegen Behilfe zum Verstoß gegen das Ausländergesetz (unerlaubten Aufenthalt im Bundesgebiet ohne Aufenthaltsgenehmigung und ohne Duldung) in Tateinheit mit einem Verstoß gegen § 284 Abs. 1 S. 1 Buchstabe d SGB III in vier Fällen gemäß §§ 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG, 406 Abs. 1 Nr. 3 SGB III, 27, 52, 53 StGB zu einer Gesamtgeldstrafe von 160 Tagessätzen zu je 15,- EUR verurteilt.

Der Verurteilung wurde der folgende Sachverhalt zugrunde gelegt:

"Der Angeklagte arbeitet in dem Unternehmen seiner Ehefrau, der Bäckerei X GmbH in O1 in der .... Der Angeklagte ist letztendlich für die Einstellung und Betreuung des Personals verantwortlich. Im Rahmen dieser Tätigkeit beschäftigte er vom 30.01. bis 28.02.02 den bulgarische Staatsangehörigen A. Zumindest am 28.02.02 beschäftigte er weiterhin den türkischen Staatsangehörigen B. In der Zeit vom 01.04. bis 04.04.02 beschäftigte der Angeklagte den türkischen Angehörigen C und in der Zeit vom 01. bis zum 07.10.02 den türkischen Staatsangehörigen Y. In keinem der genannten Fälle hatten die von dem Angeklagten beschäftigten ausländischen Staatsangehörigen weder die erforderliche Aufenthaltserlaubnis für das Bundesgebiet noch eine entsprechende Arbeitserlaubnis. Eine Anmeldung der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung, die gesetzlich vorgeschrieben ist, erfolgte nicht. Insoweit ersparte sich der Angeklagte für diese Zeit zumindest den Arbeitgeberanteil zu diesen Versicherungsleistungen und konnte daher einen entsprechend höheren Gewinn für sein Unternehmen erwirtschaften."

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und in gleicher Weise begründete Sprungrevision des Angeklagten. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht beantragt die Aufhebung des Urteils. Sie vertritt die Auffassung, daß die Rüge formellen Rechts nicht ausreichend ausgeführt sei, das Urteil jedoch auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge aufgehoben werden müßte, weil die Feststellungen in allen Fällen weder die Verurteilung wegen einer Straftat gemäß § 406 Abs. 1 Nr. 3 SGB III, noch nach § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG, 27 StGB tragen würden.

Das Rechtsmittel führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils.

Auf die - im übrigen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entsprechende - Verfahrensrüge braucht daher nicht eingegangen zu werden.

Die Feststellungen und Erwägungen des Amtsgerichts tragen den Schuldspruch nicht. Die Feststellungen sind unvollständig und lückenhaft und erlauben schon deshalb dem Senat nicht die ihm obliegende Nachprüfung, ob das Amtsgericht das sachliche Recht zutreffend angewandt hat.

Hinsichtlich des Tatvorwurfs nach § 406 Abs. 1 Nr. 3 SGB III bzw. nach dem ab dem 27.03.2002 geltenden inhaltsgleichen § 406 Abs. 1 SGB III (zu dem der anstelle dieser Vorschrift ab dem 01.08.2004 in Kraft getretene § 10 des Gesetzes zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuerhinterziehung, BGBl. I 1842, nicht das mildere Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB ist), fehlt es bereits an den erforderlichen Feststellungen zum objektiven Tatbestand.

In dem angefochtenen Urteil ist insoweit lediglich ausgeführt, daß die ausländischen Arbeitnehmer nicht über eine A...

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