Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurückstellung gemäß § 35 BtMG

 

Leitsatz (amtlich)

Im Falle der Anschlussvollstreckung zurückstellungsfähiger und nicht zurückstellungsfähiger Strafe ist eine Zurückstellung gemäß § 35 BtMG bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen dieser Vorschrift bereits möglich, wenn die nicht zurückstellungsfähige Strafe zu zwei Drittel verbüßt und ihre weitere Vollstreckung unterbrochen ist. Die zurückstellungsfähigen Strafen müssen nicht ebenfalls zu zwei Dritteln verbüßt sein.

 

Normenkette

BtMG § 35 Abs. 6 Nr. 2, § 36; StGB § 57; StPO § 454b Abs. 3; StrVollstrO § 43 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Kassel (Entscheidung vom 23.06.2009; Aktenzeichen 9821 Js 30581/04)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 04.08.2010; Aktenzeichen 5 AR (VS) 22/10)

 

Tenor

Die Bescheide der Vollstreckungsbehörden werden aufgehoben. Die Vollstreckungsbehörde wird verpflichtet, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Antragstellers hat die Staatskasse zu tragen.

Der Gegenstandswert wird auf 5000 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Nach der Vollstreckungsübersicht der JVA ... verbüßt der Verurteilte derzeit eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 20.6.2008 (3620 Js 42794/07). Zwei Drittel der Strafe werden am 27.6.2010 vollstreckt sein.

Im Anschluss daran ist eine ursprünglich zur Bewährung ausgesetzte, dann aber widerrufene Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 14.6.2005 (9821 Js 30581/04) auf Antrag des Verurteilten zur Vollstreckung bis zum Strafende am 27.11.2010 notiert, um ihm "eine Maßnahme gem. § 35 BtMG möglichst frühzeitig zu ermöglichen" (vgl. Bl. 43 VH).

Ab dem 28.11.2010 soll dann der zunächst durch die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Marburg und sodann auch durch die Staatsanwaltschaft Kassel nach einer Zurückstellung nach § 35 BtMG widerrufene Strafrest aus dem Urteil des Landgerichts Kassel vom 6.1.1999 (8860/320/802 Js 16809/98) bis zum 10.5.2012 vollstreckt werden.

Daran schließen sich die Vollstreckung des letzten Drittels der zur Bewährung ausgesetzten, dann aber widerrufenen Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 23.8.2007 (8831 Js 39614/06) sowie des letzten Drittels der Strafe aus dem Urteil des Amtgerichts Kassel vom 20.6.2008 (s. o.) an. Das Gesamtstrafende ist auf den 11.5.2013 notiert.

Mit Schreiben vom 25.5.2009 beantragte der Verurteilte, die Vollstreckungsreihenfolge nochmals und zwar dahingehend zu ändern, dass zunächst die nicht zurückstellungsfähige Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 14.6.2005 (9821 Js 30581/04) vollstreckt wird, um so zu einem früheren Zeitpunkt eine Zurückstellung der Vollstreckung der Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Kassel vom 23.8.2007, 20.6.2008 und des Landgerichts Kassel vom 6.1.1999 gem. § 35 BtMG zu ermöglichen.

Dieses Begehren lehnte die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Kassel mit Bescheid vom 23.6.2009 ab. Zur Begründung führte sie aus, bei Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen unterbreche die Vollstreckungsbehörde die Strafe gem. § 454 b StPO zum 2/3 Termin für die Anschlussstrafe, um eine gemeinsame Entscheidung gem. § 57 StGB herbeizuführen. Die Unterbrechung sei zwingend. § 43 StVollStrO regele die Vollstreckungsreihenfolge, wenn mehrere Freiheitsstrafen hintereinander zu vollstrecken seien. § 43 IV StVollstrO ermögliche eine Abweichung aus wichtigem Grund, der auch in der Ermöglichung einer Zurückstellung gem. § 35 BtMG gesehen werden könne. Nicht aber vorgesehen in § 43 StVollstrO sei die Vollverbüßung einer Strafe unter Verzicht auf § 454 b StPO.

Die dagegen gerichtete Beschwerde des Verurteilten sah die Strafvollstreckungskammer Fulda als Einwendung nach § 458 II StPO an und verwarf sie mit Beschluss vom 16.9.2009.

Auf die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hob der Senat mit Beschluss vom 28.10.2009 die Entscheidung auf, weil gegen die Ablehnung der Vollstreckungsbehörde, die Reihenfolge der (weiteren) Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafe entsprechend einem Antrag des Verurteilten zu ändern, der Rechtsweg nach §§ 23 EGGVG eröffnet sei, so dass zunächst die Generalstaatsanwaltschaft über die Vorschaltbeschwerde zu entscheiden habe.

Mit Schriftsatz vom 10.12.2009 nahm der nunmehrige Verteidiger des Verurteilten ergänzend Stellung und verwies darauf, die Staatsanwaltschaft habe bei ihrer Ermessensausübung nur eine vorzeitige Vollverbüßung berücksichtigt, nicht aber -unter Missachtung der Regelfolge kurze Strafen vor langen Strafen - deren vorzeitige Teilverbüßung bis 2/3. Aufgrund seiner Therapiebemühungen sei eine Strafaussetzung zur Bewährung nach § 57 StGB oder des 1/3 Restes im Gnadenweg nicht auszuschließen.

II.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Generalstaatsanwaltschaft die Beschwerde verworfen.

Hiergegen wendet sich der Verurt...

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