Leitsatz (amtlich)

Sofern der Verfahrensbevollmächtigte in irgendeiner Weise über die Neben- und Abwicklungstätigkeiten des Verfahrens der ersten Instanz hinaus im Rahmen der Erfüllung seines zweitinstanzlichen Auftrags tätig wird, entsteht eine Gebühr für das Beschwerdeverfahren (Anschluss an BGH NJW 2013, 312, Rn. 1).

Für das Entstehen der ermäßigten Verfahrensgebühr gemäß RVG VV Nr. 3201 genügt das Betreiben des Geschäfts der zweiten Instanz mit einer Beratung des Mandanten oder der Beschaffung von Informationen, die in irgendeiner Weise der Durchführung des Verfahrens dienen.

Die anwaltliche Versicherung eines Verfahrensbevollmächtigten steht im Beweiswert einer eidesstattlichen Versicherung zumindest gleich, zumal wenn es um die Versicherung einer üblichen anwaltlichen Tätigkeit nach Beschwerdeeinlegung geht.

 

Normenkette

FamFG § 85; RVG VV Nr. 3201; RVG VV Vorbemerkung 3 Abs. 2; RVG § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9

 

Verfahrensgang

AG Wiesbaden (Aktenzeichen 537 F 120/18)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 07.05.2019 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Wiesbaden vom 29.04.2019 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

 

Gründe

I. Mit rechtskräftigem Beschluss des Senats vom 31.01.2019 zu Az. 8 UF 3/19 wurden im Rahmen eines zweitinstanzlichen Kindschaftsverfahrens die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Beschwerdeführerin auferlegt und der Beschwerdewert auf 3.000,- Euro festgesetzt. Hintergrund war, dass die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung zum Sorgerecht eingelegt hatte und diese Beschwerde nach Zustellung der Beschwerdeschrift an die übrigen Beteiligten zurückgenommen hatte.

Mit dem angefochtenen Beschluss setzte das Amtsgericht die aufgrund des Beschlusses vom 31.01.2019 von der Beschwerdeführerin an den Beschwerdeführer zu erstattenden Kosten antragsgemäß auf 286,91 Euro nebst Zinsen fest. Angesetzt wurde dabei die reduzierte Verfahrensgebühr von nach RVG VV Nr. 3201 von 1,1 Gebühren aus einem Wert von 3.000,- Euro, Post- und Telekommunikationspauschale sowie Mehrwertsteuer.

Der Beschluss wurde der Beschwerdeführerin am 07.05.2019 zugestellt.

Mit der am 07.05.2019 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, dass zweitinstanzliche Kosten nicht entstanden seien, da die Beschwerde vor schriftlicher Stellungnahme der Gegenseite bereits zurückgenommen worden sei.

Das Amtsgericht half der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem Senat zur Entscheidung vor.

Der Senat wies darauf hin, dass die reine Entgegennahme der Beschwerdeschrift keine Kosten der zweiten Instanz auslöse. Daraufhin teilte der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdegegners mit, dass er die Beschwerdeschrift nicht nur entgegen genommen habe, sondern auch an seinen Mandanten weitergeleitet und der Mandant über das weitere Verfahrensprozedere informiert worden sei, ebenso sei die Rücknahme an diesen weitergeleitet worden und der Mandant sei über die daraus resultierenden Konsequenzen informiert worden. Diese Angaben wurden anwaltlich versichert.

Die Beschwerdeführerin bestreitet weitere anwaltliche Tätigkeiten als die Entgegennahme der Beschwerde.

II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 85 FamFG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt und der Beschwerdewert ist erreicht (§§ 567 Abs. 2, 569 ZPO).

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Weil der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdegegners über bloße Abwicklungstätigkeiten der ersten Instanz in der zweiten Instanz tätig geworden ist, sind dem Beschwerdegegner Kosten entstanden, die ihm nach der Kostengrundentscheidung des Senats durch die Beschwerdeführerin zu ersetzen sind und der Höhe nach zutreffend festgesetzt wurden.

Im Einzelnen:

Die Beschwerdeführerin hat nach der Entscheidung des Senats vom 31.01.2019 die dem Beschwerdegegner im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu tragen. Der Kostenerstattungsanspruch besteht nur insoweit, wie dem Beschwerdegegner im Beschwerdeverfahren überhaupt Kosten entstanden sind. Voraussetzung dafür ist, dass der Beschwerdegegner seinem Verfahrensbevollmächtigten gegenüber zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist, was sich nach den Vorschriften des RVG richtet. Der im Beschwerdeverfahren tätige Rechtsanwalt erhält eine Verfahrensgebühr für das "Betreiben des Geschäfts" (RVG VV Vorbemerkung 3 Abs. 2). Abzugrenzen ist dieses Betreiben des Geschäfts der Beschwerdeinstanz von Neben- und Abwicklungstätigkeiten des Verfahrens der ersten Instanz. Dazu gehören nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG die Zustellung oder Empfangnahme von Entscheidungen oder Rechtsmittelschriften und ihre Mitteilung an den Auftraggeber (vgl. BGH NJW 2013, 312).

Wird der Verfahrensbevollmächtigte aber in irgendeiner Weise über diese Neben- und Abwicklungstätigkeiten des Verfahrens der ersten Instanz hinaus im...

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