Normenkette

BVormVG § 1 Abs. 1 S. 2 Ziff. 2

 

Verfahrensgang

AG Nidda (Aktenzeichen 4 XVII 227/93)

LG Gießen (Aktenzeichen 7 T 294/02)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 238,28 Euro.

 

Gründe

Es kann dahinstehen, ob dem Betreuer wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre, da auch im Falle der form- und fristgerechten Einlegung des kraft Zulassung im angefochtenen Beschluss statthaften Rechtsmittels (§ 56g Abs. 5 S. 2 FGG) dieses nicht zum Erfolg führen kann, weil die Entscheidung des LG jedenfalls nicht auf einer Rechtsverletzung beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

Der Senat neigt bereits dazu, im vorliegenden Falle eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu versagen, da die Fristversäumung nicht unverschuldet war (§ 22 Abs. 1 FGG). Denn von einem Berufsbetreuer sollte erwartet werden können, dass er die Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein Rechtsmittel im Betreuungsverfahren kennt oder zumindest in der Lage ist, sich entsprechende Kenntnisse unverzüglich nach Zustellung einer Entscheidung, gegen die er ein Rechtsmittel einlegen will, zu verschaffen (vgl. BayObLG v. 28.3.2002 – 3Z BR 58/02, BayObLGReport 2002, 232 = FamRZ 2002, 1362; OLG Zweibrücken v. 11.11.1999 – 3 W 248/99, OLGReport Zweibrücken 2000, 472 = FamRZ 2001, 35). Dies bedarf jedoch hier keiner abschließenden Entscheidung.

Jedenfalls kann auch eine nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässige sofortige weitere Beschwerde in der Sache nicht zum Erfolg führen, weil die Entscheidung des LG, wonach die abgeschlossene Ausbildung des Betreuers an einem schweizerischen Prediger- und Missionsseminar die Voraussetzungen gem. § 1 Abs. 1 S. 2 Ziff. 2 BVormVG für die Bewilligung eines Stundensatzes von 60 DM bzw. 31 Euro nicht erfüllt, ohne Rechtsfehler ist.

Dieser höchste Stundensatz der dreistufigen Vergütungsskala des § 1 Abs. 1 BVormVG kommt nur in Betracht, wenn der Betreuer über besondere, für die Führung der Betreuung nutzbare Kenntnisse verfügt, welche durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.

Besondere, für die Führung einer Betreuung nutzbare Fachkenntnisse sind solche, die bezogen auf ein bestimmtes Fachgebiet über ein Grundwissen deutlich hinausgehen und geeignet sind, die Geschäftsführung des Betreuers zu erleichtern, weil sie ihn befähigen, seine Aufgaben zum Wohle des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen (vgl. BT-Drucks. 13/1758, 14; Palandt/Diederichsen, 61. Aufl., § 1836 BGB, Rz. 14; BayObLG BtPrax 2000, 81). Dabei müssen diese Fachkenntnisse nicht das gesamte Anforderungsprofil aller theoretisch in Betracht kommenden Betreuungsaufgaben abdecken. Vielmehr reicht es aus, wenn sie zur Bewältigung bestimmter betreuungstypischer Aufgabenkreise verwendbar sind (vgl. BT-Drucks. 13/1758, 14/15; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1836a BGB Rz. 50; Palandt/Diederichsen, 61. Aufl., § 1836a BGB Rz. 2; OLG Zweibrücken FGPrax 2001, 21). Angesichts der gesetzlichen. Betonung der rechtlichen Betreuung (§ 1901 Abs. 1 BGB) kommt rechtlichen Kenntnissen hierbei eine besonders grundlegende Bedeutung zu. Betreuungsrelevant sind im Allgemeinen ferner Kenntnisse in den Bereichen Medizin, Psychologie, Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Soziologie und Wirtschaft. Allerdings muss die Ausbildung hierbei in ihrem Kernbereich und nicht nur am Rande auf die Vermittlung derartiger betreuungsrelevanter Kenntnisse ausgerichtet sein (vgl. BayObLG BtPrax 2000, 81 und BtPrax 2000, 124 [125]; OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.4.2002 – 20 W 368/01, OLGReport Frankfurt 2002, 189).

Ob ein Berufsbetreuer die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BVormVG erfüllt, obliegt der Beurteilung des Tatrichters und kann vom Rechtsbeschwerdegericht lediglich auf Rechtsfehler überprüft werden (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG), die nur vorliegen, wenn der Tatrichter einen unbestimmten Rechtsbegriff verkannt hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen, gegen Denkgesetze verstoßen oder allgemein bekannte Erfahrungssätze nicht beachtet hat (vgl. BayObLG BtPrax 2000, 81 [82] und BtPrax 124 [125]).

Hiernach weist die Entscheidung des LG, wonach die von dem Betreuer abgeschlossene Ausbildung des Prediger- und Missionsseminars Sankt Chrischona bei B. in der Schweiz jedenfalls in ihrem Kernbereich keine betreuungsrelevanten Kenntnisse vermittelt, keine Rechtsfehler auf. Das LG hat zutreffend festgestellt, dass sich aus dem Abschlusszeugnis folgende Ausbildungsinhalte ergeben:

„Auffrischung und Erweiterung der Elementarschulbildung in Deutsch, Weltgeschichte, Rechnen und Geographie. – Bibelkunde Alten und Neuen Testaments, Auslegung verschiedener Bücher des Alten und Neuen Testaments, Leben und Lehre Jesu- – Exegetische Übungen, Homiletik, Predigtübungen. – Biblische Glaubenslehr...

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