Leitsatz (amtlich)
Wird der Wohnbedarf eines Kindes ganz oder teilweise dadurch gedeckt, dass der barunterhaltspflichtige Elternteil die ihm ganz oder zum Teil gehörende Wohnung dem betreuenden Elternteil und dem Kind überlässt, ist die Deckung des Wohnbedarfs jedenfalls dann durch eine angemessene Herabstufung der für die Unterhaltshöhe maßgeblichen Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle zu berücksichtigen, wenn weder der betreuende Elternteil Ehegattenunterhalt noch der barunterhaltspflichtige Elternteil die Zahlung einer Miete oder Nutzungsentschädigung für die Überlassung der Wohnung an den betreuenden Elternteil geltend macht.
Privater Nachhilfeunterricht begründet dann einen Mehrbedarf des Kindes, wenn für die kostenauslösende Inanspruchnahme eines privaten Lehrinstituts im Vergleich zu den schulischen Förderangeboten so gewichtige Gründe vorliegen, dass es gerechtfertigt erscheint, die dadurch verursachten Mehrkosten zu Lasten des nicht betreuenden Elternteils als angemessene Kosten der Ausbildung im Sinne von § 1610 Abs. 2 BGB anzuerkennen. Das Fehlen sachlicher Gründe kann der nicht betreuende Elternteil dem geltend gemachten Mehrbedarf nicht entgegenhalten, wenn er mit der Maßnahme einverstanden war.
Kosten einer kieferorthopädischen Behandlung können einen Sonderbedarf des Kindes begründen, soweit der geltend gemachte Sonderbedarf angemessen ist und dem Kind eine Finanzierung des Sonderbedarfs aus dem laufenden Unterhalt nicht zumutbar ist.
Normenkette
BGB § 1601 ff., § 1603 Abs. 2, § 1606 Abs. 3, § 1610 Abs. 2, § 1613 Abs. 2; ZPO § 256
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 458 F 12001/19 UK) |
Nachgehend
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird unter Zurückweisung der weiter gehenden Beschwerde abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Dem Antragsgegner wird aufgegeben, an die Antragstellerin für das Kind A, geb. am 0.0.0000, über den in der Urkunde des Jugendamts des X-Kreises vom 0.0.2017, UR-Nr. 00/17 titulierten Unterhalt hinaus rückständigen Mehrbedarf von 1.602,33 Euro für den Zeitraum von April 2017 bis Juni 2019 zu zahlen.
Dem Antragsgegner wird aufgegeben, an die Antragstellerin für das Kind B, geb. am 0.0.0000, über den in der Urkunde des Jugendamts des X-Kreises vom 0.0.2017, UR-Nr. 00/17 titulierten Unterhalt hinaus rückständigen Mehrbedarf von 2.851,67 Euro für den Zeitraum von April 2017 bis Juni 2020 zu zahlen. Die vorgenannte Urkunde wird dahingehend abgeändert, dass der Antragsgegner verpflichtet wird, an die Antragstellerin für das Kind B ab Juli 2020 zusätzlich zum titulierten Elementarunterhalt von 115 Prozent des Mindestunterhalts abzüglich des hälftigen Kindergelds laufenden monatlichen Mehrbedarf von 66,33 Euro zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Antragsgegner verpflichtet ist, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommenen Kosten der kieferorthopädischen Behandlung des Kindes C, geb. am 0.0.0000, in der kieferorthopädischen Gemeinschaftspraxis XY in Z gemäß Behandlungsplan vom 6.6.2017 in Höhe von einem Drittel zu tragen.
Im Übrigen werden die Anträge der Antragstellerin zurückgewiesen.
Die Kosten des zweiten Rechtszugs werden der Beschwerdeführerin zu zwei Dritteln, dem Beschwerdegegner zu einem Drittel auferlegt. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszugs bleibt es bei der Kostenentscheidung im angefochtenen Beschluss.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der Verfahrenswert wird für den zweiten Rechtszug festgesetzt auf 13.168,50 Euro.
Gründe
I. Die getrennt lebenden Beteiligten streiten um Kindesunterhalt für die drei aus ihrer Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder. Die Antragstellerin begehrt eine Erhöhung der auf 115 Prozent des Mindestunterhalts lautenden Unterhaltstitel und macht Mehr- bzw. Sonderbedarf für außerschulischen Förderunterricht und eine kieferorthopädische Behandlung geltend.
Wegen des zu Grunde liegenden Sachverhalts wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Beschluss Bezug genommen. Diese sind dahingehend zu berichtigen, dass die älteste Tochter A nicht am 0.0.0000, sondern am 0.0.0000 geboren ist, und dahingehend zu ergänzen, dass der Antragsgegner bereits ab September 2016 bis zur Errichtung der Jugendamtsurkunden für alle drei Kinder Unterhalt in Höhe von 115 Prozent des Mindestunterhalts abzüglich des hälftigen Kindergelds zahlte, teilweise allerdings erst nach Erhebung des vorliegenden Abänderungsantrags durch die Antragstellerin. Lediglich im Monat August 2016 zahlte der Antragsgegner für A nur 417,- Euro statt 423,- Euro und für B und C nur je 342,- Euro statt 347,- Euro, was der ihm von der Antragstellerin überreichten Unterhaltsforderung entsprach. Wegen des von beiden Beteiligten erzielten Erwerbseinkommens wird auf die im ersten und zweiten Rechtszug vorgelegten Verdienstbescheinigungen, die vom Antragsgegner vorgelegten Belege über die Beiträge zu seiner privaten Kranken- und Pflegeversicherung sowie den Vortrag der Antragstellerin im zw...