Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 06.08.2007; Aktenzeichen 932 Ds 10380-114 Js 33617/07)

 

Gründe

Mit Urteil vom 6.8.2007 hat das Amtsgericht Frankfurt am Main den Angeklagten wegen Verstoßes gegen § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG (wiederholte Zuwiderhandlung gegen eine räumliche Beschränkung nach § 61 Abs. 1 AufenthG) zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 8 Euro verurteilt.

Hiergegen richtet sich die statthafte (§ 335 StPO), form- und fristgerecht, zunächst als unbestimmtes Rechtsmittel eingelegte, innerhalb der Revisionsbegründungsfrist formgerecht als Revision bezeichnete mit der allgemeinen Sachrüge begründete Sprungrevision des Angeklagten.

Sie führt zur Aufhebung des Urteils, da die Urteilsfeststellungen den Schuldspruch nicht tragen.

Dem Schuldspruch liegen folgende Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:

"Der Angeklagte ist vollziehbar ausreisepflichtig, denn er ist in Deutschland nur geduldet. Das heißt, dass seine Abschiebung ausgesetzt ist. Abschiebbar ist ein Ausländer jedoch nur, wenn seine Ausreisepflicht vollziehbar ist. Sein Aufenthalt ist zusammen mit der ihm zuletzt am 6.7.2007 mit Gültigkeit bis zum 5.10.2007 erteilten Duldung auf den Landkreis A beschränkt. Dies wusste der Angeklagte seit Ausstellung der Duldung. Am 17.9.2006 war er in O1 gewesen. Bereits zu diesem Zeitpunkt war sein Aufenthalt durch Duldung auf den Landkreis A beschränkt gewesen. Er kehrte zurück in den Landkreis A, weil er dort seine Duldung fortlaufend ausgestellt bekommt, wurde aber am 19.7.2007 in O1 angetroffen und festgenommen."

Diese Feststellungen vermögen den Schuldspruch wegen einer wiederholten Zuwiderhandlung gegen eine räumliche Beschränkung nach § 61 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz nicht zu tragen. Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in ihrer Stellungnahme vom 14.11.2007 insoweit ausgeführt:

"Entgegen der Ansicht des Verteidigers war die nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG zulässige Beschränkung des Aufenthalts, bei der es sich um eine Nebenbestimmung i. S. des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG in Form einer Auflage gehandelt hat, als belastender Verwaltungsakt allerdings vollziehbar.

Zwar wird in der Verwaltungsrechtslehre die Auffassung vertreten, dass für die Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes nicht genüge, dass dieser wirksam sei. Vielmehr wird weiterhin gefordert, dass er entweder unanfechtbar oder sein sofortiger Vollzug angeordnet oder einem Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung beigelegt ist (vgl. Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl., Rdnr. 15 zu § 21; Rdnr. 19 zu § 38). Diese Ansicht wird allerdings von der Rechtsprechung nicht geteilt. Nach der Entscheidung des OVG Münster (vgl. VerwRspr. 25, 277) ist ein Verwaltungsakt bis zur Einlegung des Widerspruchs durch den Antragsteller vollziehbar, weil die bloße Möglichkeit von Rechtsbehelfen noch nicht zur aufschiebenden Wirkung führe und dessen Vollziehung bis zu seiner Unanfechtbarkeit nicht zurückgestellt werden müsse. Diese Auffassung wird von Redeker/von Oertzen geteilt (VwGO, 13. Aufl., Rdnr. 7 zu § 80). Auch nach Knack (VwVfG, 8. Aufl., Rdnr. 5 zu § 43) ist die Vollziehbarkeit bei Verwaltungsakten eine regelmäßige Folge der Wirksamkeit, die nach § 43 Abs. 1 VwVfG gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffenen wird, in dem Zeitpunkt eintritt, in dem der Verwaltungsakt bekannt gegeben wird.

Das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung steht der Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts nicht entgegen. Das Unterbleiben der Belehrung führt nach § 58 Abs. 2 VwGO vielmehr nur dazu, dass die Frist zur Einlegung eines Rechtsbehelfs auf 1 Jahr verlängert wird.

Ungeachtet der Vollziehbarkeit der in der Auflage enthaltenen Anordnung verwirklicht das Verhalten des Angeklagten jedoch nicht den Tatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG.

Die räumliche Beschränkung des Aufenthalts eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers, bei dem die Abschiebung - wie hier - durch § 60 a AufenthG vorübergehend ausgesetzt ist (Duldung), ist in § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG geregelt. Danach ist der Aufenthalt des Ausländers auf das Gebiet des Bundeslandes, hier des Landes Hessen, beschränkt. Gegen diese kraft gesetzlicher Bestimmung angeordnete räumliche Beschränkung hat der Angeklagte durch den Aufenthalt in O1 am 19.07.2007 nicht verstoßen.

Die weitergehende Beschränkung des Aufenthalts des Angeklagten auf das Gebiet des Landkreises A erfolgte im Zusammenhang mit der ausgesprochenen Duldung im Rahmen einer Anordnung nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Durch diese Anordnung wurde der Aufenthalt des Angeklagten über die gesetzliche Beschränkung hinaus weiter beschränkt.

Unter den Rechtsbegriff der räumlichen Beschränkung des Aufenthalts, wie er in den §§ 61 Abs. 1 Satz 1 und 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG verwendet wird, kann diese weitergehende behördliche Beschränkung des Aufenthalts aber nicht eingeordnet werden (vgl. OLG Karlsruhe StV 2007, 136; Brandenburgisches OLG NJ 2007, 425; OLG Jena ThürVBl. 2007, 190). Dies ergibt sic...

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