Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassungsvollstreckung: Verbotsumfang eines durch das Gericht nicht begründeten Unterlassungstitels bei "alternativer Beanstandungshäufung"
Leitsatz (amtlich)
Wird ein gegen die konkrete Verletzungsform gerichteter Unterlassungsantrag - in prozessual zulässiger Weise (vgl. BGH GRUR 2013, 401 - Biomineralwasser, Rn. 24) - in der Weise auf unterschiedliche wettbewerbsrechtliche Beanstandungen gestützt, dass das Gericht auswählen kann, mit welchen dieser Beanstandungen es das Verbot begründet ("alternative Beanstandungshäufung"), enthält der daraufhin erlassene Unterlassungstitel jedoch keine Begründung, kommt der Schuldner dem erlassenen Verbot bereits dann nach, wenn er auch nur einer dieser Beanstandungen Rechnung trägt.
Normenkette
ZPO § 890
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 25.10.2018; Aktenzeichen 3-6 O 9/18) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Der Vollstreckungsantrag der Antragstellerin vom 6.9.2018 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Vollstreckungsverfahrens zu tragen.
Beschwerdewert. 3.000,- EUR
Gründe
Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Ordnungsmittelantrag nach § 890 ZPO war zurückzuweisen, weil die Veröffentlichungen gemäß Anlagen G2 und G3 zum Vollstreckungsantrag nicht in den Verbotskern von Ziffer 1. der Beschlussverfügung vom 18.1.2018 fallen. Zwar hat das Landgericht mit Recht angenommen, dass der Unterlassungsausspruch nicht nur Werbeflyer, sondern auch Pressemitteilungen im Internet erfassen, soweit diese das Charakteristische der untersagten Verletzungshandlung enthalten. Die Presseerklärungen gemäß Anlagen G 2 und G 3 sind jedoch inhaltlich nicht kerngleich mit dem Werbeflyer gemäß Anlage K 5.
Der Antragsgegnerin ist die Werbung mit der Aussage "A erhöht den Jahresgrundpreis um bis zu 420%" untersagt worden, "wenn dies geschieht wie in Anlage K 5". Das Verbot richtet sich damit gegen die konkrete Verletzungsform, wobei zur Auslegung des - mit der Beschlussverfügung nicht begründeten - Verbots auf die Begründung des Eilbegehrens in der Antragsschrift zurückgegriffen werden kann.
In der Antragsschrift hat der Antragstellervertreter die angegriffene Verletzungshandlung als irreführend gerügt und diesen Vorwurf auf mehrere Beanstandungen gestützt. Er hat u.a. ausgeführt, dass die Antragsgegnerin in der Werbung gemäß Anlage K 5 gegenüber dem Leser keine angenommenen Verbrauchszahlen offenbare, weswegen der Leser von einer geradezu monströsen Preiserhöhung geschockt und damit angelockt werde, ohne in die Lage versetzt zu werden, nachzuvollziehen, ob und in welchem Umfang ihn eine Erhöhung überhaupt tangieren kann; hätte die Antragsgegnerin diese Angaben gemacht, hätte der Leser erkannt, dass ihn eine Erhöhung in diesen Dimensionen überhaupt nicht treffen kann (Antragsschrift S. 5). Darüber hinaus sei die in der Werbung genannte Preiserhöhung irreführend, weil sie nur unter Anwendung unrealistischer Berechnungsparameter erzielt werde. Beide Beanstandungen beziehen sich zwar auf dieselbe Verletzungsform. Sie wirken sich auf den Inhalt eines antragsgemäß erlassenen Titels jedoch insoweit aus, als der Vollstreckungsschuldner unterschiedliche Maßnahmen ergreifen kann, um den jeweiligen Beanstandungen Rechnung zu tragen. So reicht es für die erste Beanstandung aus, der angegriffenen Aussage die als fehlend gerügten Angaben hinzuzufügen, während der zweiten Beanstandung durch eine Änderung der genannten Prozentzahl nachgekommen werden kann.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. GRUR 2013, 401 - Biomineralwasser, Rn. 24) kann im Wettbewerbsrecht ein einheitlicher, gegen die konkrete Verletzungsform gerichteter Unterlassungsantrag auf unterschiedliche Beanstandungen gestützt werden. Ein solcher Unterlassungsantrag hat bereits dann Erfolg, wenn auch nur eine der erhobenen Beanstandungen gerechtfertigt ist, wobei das Gericht die Wahl hat, auf welche Beanstandung es das Verbot stützen will. Eine derartige Antragstellung kann - im Gegensatz zur unzulässigen alternativen Klage- oder Anspruchshäufung (vgl. hierzu BGH GRUR 2011, 521 - TÜV I, Rn. 8 ff.) - als zulässige "alternative Beanstandungshäufung" im Rahmen desselben Streitgegenstands bezeichnet werden. Die Konsequenz dieser dem Kläger bzw. Antragsteller im Erkenntnisverfahren zugutekommenden Erleichterung kann allerdings ein entsprechend enger Verbotsumfang des erwirkten Titels sein. Wenn das auf einen in dieser Weise begründeten Verfügungsantrag ergangene gerichtliche Verbot keine Begründung enthält und der Unterlassungsschuldner demzufolge nicht erkennen kann, auf welche der alternativ geltend gemachten Beanstandungen das Gericht das Verbot der konkreten Verletzungsform gestützt hat, wird der Kernbereich des Titels bereits dann verlassen, wenn die erneute Handlung auch nur einer der Beanstandungen, auf die das Unterlassungsbegehren gestützt war, gerecht wird (vgl. bereits Senat, Beschl. v. 28.4.200...