Leitsatz (amtlich)
Auch soweit im Verfahren der einstweiligen Anordnung davon auszugehen ist, dass ein Kind mangels Erziehungsfähigkeit der Eltern nicht in deren Haushalt ohne Gefährdung seines Wohls verbleiben kann, besteht keine Veranlassung für einen vorläufigen Entzug des Sorgerechts nach §§ 1666 Abs. 3 Nr. 6, 1666a BGB iVm § 49 FamFG, wenn die Eltern mit der Unterbringung des Kindes bei seiner Großmutter einverstanden sind und das Kind dort nicht gefährdet ist.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 6. (im Folgenden Jugendamt) wendet sich gegen die Entscheidung, im einstweiligen Anordnungsverfahren von Maßnahmen gemäß § 1666 BGB abzusehen. Die Beteiligte zu 4. (im Folgenden Kindesmutter) und der Beteiligte zu 5. (im Folgenden Kindesvater) sind die Eltern der 2 Jahre und 9 Monate alten M. Die Kindeseltern sind nicht miteinander verheiratet und üben die Sorge aufgrund übereinstimmender Sorgeerklärungen vom 30. August 2023 gemeinsam aus. Der Kindesvater ist syrischer Staatsangehöriger, die Kindesmutter ist thailändische Staatsangehörige. Das betroffene Kind hat die deutsche und thailändische Staatsangehörigkeit. Die Kindesmutter leidet unter einer Borderline-Störung und steht unter gesetzlicher Betreuung für die Aufgabenkreise Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Pflegekassen, für die Gesundheitssorge und die Vermögenssorge. Sie hat einen weiteren Sohn aus einer vorangegangenen Beziehung, der in Verwandtenpflege über das Jugendamt bei der Großmutter väterlicherseits lebt. Nach der Geburt von M. war die Kindesmutter mit ihr zusammen zunächst für etwa sechs Monate in einer Mutter-Kind-Einrichtung untergebracht. Diese Maßnahme beendete sie und zog mit M. und dem Kindesvater zusammen. Die Großmutter ihres weiteren Kindes wandte sich am 21. September 2023 an das Jugendamt und berichtete von fehlender Förderung und Entwicklungsverzögerungen bei M. Die Familie wurde daraufhin ab dem 21. November 2023 durch eine Sozialpädagogische Familienhilfe unterstützt und es wurde ein Schutzplan installiert, nachdem die Eltern im Gespräch mit dem Jugendamt ihre Überforderung mit der Haushaltsführung und dem erzieherischen Umgang mit M. einräumten. Im Januar 2024 beschrieb der Träger der eingesetzten Hilfe, dass die Wohnung nach wie vor unzureichend sauber sei, stufte die instabile psychische Verfassung der Kindesmutter und die schwierige finanzielle Situation als Kindeswohlgefährdung ein. Mitte Februar 2024 wechselte M. in den Haushalt der Großmutter väterlicherseits, nachdem der Familie der Strom abgestellt worden war. Die Großmutter bewohnt eine 80 m2 große Vierzimmerwohnung, in der gegenwärtig auch noch drei ihrer Söhne leben. Sie hat ihre Berufstätigkeit im Dezember 2023 aufgegeben, um die Familie zu unterstützen. Die eingesetzten Fachkräfte meldeten am 11. März 2024, dass das Wohl des Kindes gefährdet sei. Als Gründe wurden die fehlende Hygiene und Sauberkeit in der Wohnung der Kindeseltern, der hohe Medienkonsum der Eltern und des Kindes, die Schwierigkeit der Eltern, administrative Angelegenheiten zu erledigen, die sprachliche Entwicklung und Förderung des Kindes, die Konkurrenz zwischen den Eltern und die belastete Beziehung zwischen den Eltern und zur Großmutter väterlicherseits angeführt. Der Träger empfahl die Fortführung der ambulanten Hilfen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht vom 11. März 2024 verwiesen. Am 18. März 2024 wurde M. in der Wohnung der Großmutter väterlicherseits in Obhut genommen. Im Einzelnen wird auf den Bericht des Jugendamtes vom 27. März 2024 verwiesen.
Zur weiteren Darstellung der Ereignisse wird zudem auf die erstinstanzliche Entscheidung verwiesen.
Das Amtsgericht hat eine Verfahrensbeiständin bestellt. Die Verfahrensbeiständin sah erstinstanzlich im Fall einer Rückführung des Kindes in den Haushalt der Eltern eine Kindeswohlgefährdung aufgrund der nicht ausreichenden Fähigkeit bei beiden Eltern, sich trotz ambulanter Unterstützung adäquat um die Bedürfnisse des Kindes zu kümmern. M. weise nach den Angaben im U-Heft Entwicklungsdefizite auf, die gegebenenfalls erhöhte Anforderungen an ihre Erziehungsperson stellen würden. Sorge bereite insbesondere, dass sich M. gegenüber erwachsenen Männern negativ und zuweilen panikhaft verhalte. Gerade im Haushalt der Großmutter müsse M. mit ihren erwachsenen Onkeln in Berührung gekommen sein. Für die Dauer eines einzuholenden Erziehungsfähigkeitsgutachtens empfahl sie den Verbleib des Kindes in der Bereitschaftspflegefamilie. Es sei zweifelhaft, ob die Großmutter Hilfen des Jugendamtes gegenüber offen wäre. Im Einzelnen wird auf den Bericht vom 17. April 2024 und das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 23. April 2024 verwiesen.
Das Amtsgericht hat das Kind und die Eltern persönlich angehört und die...