Entscheidungsstichwort (Thema)
Äußerungen eines Fachmanns gegenüber Tageszeitung über Fernsehsendung keine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG
Leitsatz (amtlich)
1. Die Äußerung eines Fachmanns und Wissenschaftlers gegenüber einer Tageszeitung im Rahmen eines redaktionellen, kritischen Artikels über eine True-Crime-Fernsehsendung dient vorrangig der redaktionellen Unterrichtung der Öffentlichkeit. Sofern sich die Äußerung reflexartig auf die Vortrags- oder Gutachertätigkeit auswirkt, führt dies nicht zur Einordnung als geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
2. Zum Bestehen von Unterlassungsansprüchen wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts in diesem Fall.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 1004; UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 10.06.2021; Aktenzeichen 2-3 O 226/21) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Beschwerdewert: 40.000,- EUR
Gründe
I. Die Antragstellerin macht im Wegen des Eilverfahrens äußerungsrechtliche Ansprüche geltend.
Die Antragstellerin bezeichnet sich als "Profilerin". In dieser Funktion tritt sie in der Fernsehserie "A" des Senders B auf. Sie analysiert in kurzen Stellungnahmen echte Verbrechen und Verbrecher.
Der Antragsgegner ist (...), bei der es sich um die zentrale Forschungs- und Dokumentationseinrichtung (...) für kriminologische Forschungsfragen handelt. Gegenstand des Verfahrens sind Äußerungen des Antragsgegners, die er in einem Artikel der Zeitung1 tätigte, der online am XX.XX. und als Printausgabe am XX.XX.2021 unter der Überschrift "(...)" erschien (Anlage 3).
Das Landgericht hat die Eilanträge mit Beschluss vom 10.6.2021 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde, der das Landgericht mit Beschluss vom 6.7.2021 nicht abgeholfen hat.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11.06.2021, Az. 2-03 O 226/21, abzuändern und gemäß den ursprünglichen Anträgen zu beschließen:
Dem Antragsgegner wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ersatzordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, untersagt,
nachfolgende Behauptungen in Bezug auf die Unterlassungsgläubigerin zu behaupten und/oder zu verbreiten und/oder öffentlich zugänglich zu machen:
a) Die Antragstellerin betreibt Schwindel;
und/oder
b) Die Antragstellerin arbeitet in höchstem Maße unseriös;
und/oder
e) Die Arbeit der Antragstellerin hat mit wissenschaftlich fundierter forensisch-psychologischer Herangehensweise nichts zu tun;
und/oder
d) Die Antragstellerin verwendet pseudowissenschaftliche Wortneuschöpfungen;
insbesondere wie im Artikel (...), geschehen.
II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Antragstellerin steht gegen den Antragsgegner kein Anspruch auf Unterlassung der angegriffenen Aussagen aus §§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1, 3, 4 Nr. 1, Nr. 2 UWG zu. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass es schon an einer geschäftlichen Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG fehlt.
a) Von einer geschäftlichen Handlung kann nur ausgegangen werden, wenn das beanstandete Verhalten bei der gebotenen objektiven Betrachtung dem Ziel der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen dient. Dient die Handlung vorrangig anderen Zielen als der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung von Verbrauchern in Bezug auf Produkte und wirkt sie sich lediglich reflexartig auf die Absatz- oder Bezugsförderung aus, so stellt sie keine geschäftliche Handlung dar. Vorrangige andere Ziele sind die Unterrichtung der Öffentlichkeit oder die Verfolgung weltanschaulicher, wissenschaftlicher, redaktioneller oder verbraucherpolitischer Äußerungen von Unternehmen oder anderen Personen, die nicht in funktionalem Zusammenhang mit der Absatz- oder Bezugsförderung stehen. Sie unterfallen demnach nicht dem UWG (vgl. RegE UWG 2008, BT-Drucks. 16/10145, S. 21; BGH GRUR 2016, 710Rn. 12 - Im Immobiliensumpf; OLG Fankfurt, WRP 2017, 875 Rn. 20 - Unterkieferprotrusionsschienen).
b) Der Antragsgegner hat die angegriffenen Äußerungen als Fachmann und Wissenschaftler getätigt. Sie erfolgten gegenüber einer führenden Tageszeitung im Rahmen eines redaktionellen, kritischen Artikels über die True-Crime-Fernsehsendung, in der die Antragstellerin auftritt. Bei der gebotenen objektiven Betrachtung dient das Verhalten des Antragsgegners damit nicht vorrangig der Förderung der von ihm selbst bzw. der von ihm geleiteten Forschungseinrichtung angebotenen Leistungen, sondern der redaktionellen Unterrichtung der Öffentlichkeit. Sollte sich die geäußerte Kritik an den Leistungen der Antragstellerin als eine Art Reflex förderlich auf die Vortrags- oder Gutachtertätigkeit des Antragsgegners auswirken, würde dies nicht zur Einordnung als geschäftliche Handlung führen, da die Äußerun...