Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Haftgrund der Wiederholungsgefahr
Leitsatz (amtlich)
Zu den gesetzlichen Voraussetzungen des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr nach § 112a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPO.
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Entscheidung vom 13.08.2009; Aktenzeichen 14 Ns 1200 Js 84199/08) |
AG Offenbach (Entscheidung vom 21.11.2008; Aktenzeichen 1200 Js 91826/08 - 21 Gs) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss in Verbindung mit dem Beschluss der 14. kleinen Strafkammer des Landgerichts Darmstadt vom 13.08.2009 und der Haftbefehl des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 21.11.2008 - Az. 1200 Js 91826/08 - 21 Gs - werden aufgehoben.
Gründe
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.
Der Angeklagte ist zwar der ihm im Beschluss der 14. kleinen Strafkammer des Landgerichts Darmstadt vom 13.08.2009, durch den der Haftbefehl des Amtsgerichts Offenbach vom 21.11.2008, außer Vollzug gesetzt mit Beschluss vom 26.01.2009, wieder in Vollzug gesetzt worden war, und im Urteil des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 28.05.2009 zur Last gelegten Straftaten - soweit sie Anlasstaten für den einzig in Betracht kommenden Haftgrund der Wiederholungsgefahr gemäß § 112 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPO darstellen - des Diebstahls mit Waffen, begangen am ...11.2007, sowie des Diebstahls in einem besonders schweren Fall, begangen am ...11.2008, dringend verdächtig. Der dringende Tatverdacht gründet sich auf die Feststellungen und die Beweiswürdigung im - nicht rechtskräftigen - Urteil des Amtsgerichts Offenbach am Main, durch das der Angeklagte u.a. wegen der genannten Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 2 Monaten verurteilt wurde und durch das gegen ihn die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB angeordnet wurde. Ein dringender Tatverdacht besteht dagegen nicht, soweit dem Angeklagten mit dem Haftbefehl des Amtsgerichts Offenbach vom 21.11.2008 in Verbindung mit dem Urteil des Amtsgerichts Offenbach vom 28.05.2009 und dem Beschluss der Berufungskammer vom 13.08.2009 ein versuchter Diebstahl in einem besonders schweren Fall sowie eine versuchte gefährliche Körperverletzung, begangen am ....11.2008 zur Last gelegt wird. Der Verfolgung dieser Taten steht im vorliegenden Verfahren das Verfahrenshindernis des fehlenden Eröffnungsbeschlusses entgegen. Die Staatsanwaltschaft hat zwar unter dem 06.01.2009 Anklage erhoben. Das Amtsgericht hat aber - wohl versehentlich - einen Eröffnungsbeschluss nicht erlassen, was insoweit zur Einstellung des Verfahrens führt. Der Eröffnungsbeschluss kann nicht mehr in der Berufungsverhandlung nachgeholt werden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage, § 203 Rdnr. 4). Darüber hinaus besteht ein dringender Tatverdacht der versuchten gefährlichen Körperverletzung nach Aktenlage und ausweislich der Gründe des amtsgerichtlichen Urteils nicht. Zur versuchten gefährlichen Körperverletzung ist nur festgestellt, dass der Angeklagte mit einem Schraubendreher in Richtung des Geschädigten gestochen und dabei zumindest billigend in Kauf genommen haben soll, diesem nicht nur unerhebliche Verletzungen beizufügen. Hieraus lässt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, wie der Angeklagte zugestochen haben soll, damit daraus der Schluss zu ziehen wäre, er habe mit bedingtem Vorsatz gehandelt. Soweit dem Angeklagten ein weiterer Diebstahl in einem besonders schweren Fall, begangen am ...05.2008, mit Anklageschrift vom 07.10.2008 vorgeworfen war, wurde er durch das Amtsgericht freigesprochen, sodass diese Tat nicht mehr zu berücksichtigen ist. Die Berufungskammer stützt sich in ihrem Beschluss vom 13.08.2009 nicht mehr auf diese Tat.
Die gesetzlichen Voraussetzungen des einzig herangezogenen Haftgrundes der Wiederholungsgefahr nach § 112 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPO liegen - selbst bei Mitberücksichtigung der Taten vom ....11.2008 und ...05.2008, bzgl. derer kein dringender Tatverdacht gegeben ist - nicht vor.
Dieser Haftgrund setzt zunächst voraus, dass der Angeklagte dringend verdächtig ist, wiederholt eine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat nach §§ 224, 243, 244 StGB begangen zu haben. Die versuchte gefährliche Körperverletzung ist als Anlasstat - unabhängig von dem Vorliegen des dringenden Tatverdachts - schon deswegen nicht zu berücksichtigen, weil sie nicht wiederholt begangen wurde. Im Übrigen vermag ein nicht näher verifiziertes versuchtes Einstechen mit einem Schraubendreher auf einen Dritten keine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat zu begründen. Die Verurteilung wegen Diebstahls mit Waffen, begangen am ...11.2007, sowie wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall, begangen am ...11.2008, beinhaltet ebenfalls keine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigenden Straftaten. Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr setzt voraus, dass jede einzelne Tat ihrem konkreten Erscheinungsbild nach den erforderlichen Schweregrad aufweisen (vgl. Karlsruher-Kommentar-Graf, StPO, § 112 a Rdnr. 14 m.w.N.; Senatsbeschlüsse vom 31.07.1997 - 1 Ws 106/97; sowie v...