Leitsatz (amtlich)

Zur Erhöhung des Streitwertes durch die Arbeitslosenhilfe für den Fall, dass die Überleitung von Unterhaltsansprüchen auf den Träger ausscheidet.

 

Verfahrensgang

AG Lampertheim (Beschluss vom 04.04.2007; Aktenzeichen 1 F 265/06 S)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert:

Der Gegenstandswert für das Scheidungsverfahren wird auf 4.236 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Das AG hat durch den angefochtenen Beschluss den Wert für das Scheidungsverfahren auf 2.000 EUR festgesetzt und zusätzlich Werte für eine Folgesache und einen im Zusammenhang mit der Scheidung abgeschlossenen Vergleich festgesetzt.

Mit ihrer Beschwerde wenden sich die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin gegen die Wertfestsetzung für das Scheidungsverfahren auf 2.000 EUR mit der Begründung, dass die beiderseitige Prozesskostenhilfebewilligung nicht dazu führen könne, dass nur der Mindeststreitwert festgesetzt werde, vielmehr müsse auch in diesem Fall das in drei Monaten erzielte Einkommen der Parteien zugrunde gelegt werden. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und dabei ausgeführt, dass bei der Wertbemessung ausschließlich das Einkommen des Antragsgegners aus Rentenbezug maßgeblich sei und dieses in drei Monaten einen Betrag von 2.000 EUR nicht erreiche. Zusätzlich von den Parteien bezogene Sozialleistungen blieben für die Streitwertbemessung außer Betracht. Die Vertreterin der Staatskasse ist der Beschwerde entgegengetreten und verteidigt den angefochtenen Beschluss.

Der Einzelrichter des Senats hat die Sache wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat zur Entscheidung gem. §§ 66 Abs. 6 S. 2, 68 Abs. 1 S. 5 GKG vorgelegt.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist fristgemäß eingelegt. Der Beschwerdewert von 200 EUR ist erreicht, da sich die Gebühren für die Beschwerdeführer um mehr als 200 EUR erhöhen, wenn man für die Scheidung einen Wert zugrunde legt, der das gesamte Einkommen der Parteien in drei Monaten berücksichtigt.

Die Beschwerde ist auch begründet. Ob und inwieweit Sozialleistungen als Einkommen i.S.d. § 48 Abs. 3 S. 1 GKG anzusehen sind und dabei den Wert für das Ehescheidungsverfahren beeinflussen, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Im vorliegenden Fall geht es um Arbeitslosengeld II, welches die Antragstellerin bezieht, sowie um Leistungen der Grundsicherung nach SGB XII, welche der Antragsgegner neben seiner Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält. In der Literatur wird vereinzelt die Auffassung vertreten, dass Sozialleistungen grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen seien (Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl., Ehesachen, Rz. 1268). In der Rechtsprechung wird teilweise differenziert zwischen der früheren Arbeitslosenhilfe bzw. heutigem Arbeitslosengeld II einerseits und Sozialhilfe andererseits. Das OLG Dresden hat die Berücksichtigung der Arbeitslosenhilfe bejaht, die Berücksichtigung von Sozialhilfe verneint (FamRZ 2002, 1640). Im Übrigen ist die Berücksichtigung von Arbeitslosenhilfe bejaht worden durch das OLG Düsseldorf (FamRZ 1994, 250), verneint worden durch das OLG Brandenburg (FamRZ 2003, 1676). Die Berücksichtigung von Arbeitslosengeld II, das die frühere Arbeitslosenhilfe abgelöst hat, ist bejaht worden von OLG Hamm (FamRZ 2006, 632), verneint worden vom OLG Düsseldorf (FamRZ 2006, 807) und dem AG Lüdenscheid (FamRZ 2007, 750). Der 5. Senat des OLG Frankfurt (Be-schluss vom 9.6.2000 - 5 WF 162/00, veröffentlicht in der Datenbank HeFam) hat bei der Arbeitslosenhilfe danach differenziert, ob eine Überleitungsmöglichkeit besteht oder nicht. Komme eine Überleitung von Unterhaltsansprüchen auf den Träger der Arbeitslosenhilfe gegen den anderen Ehegatten in Frage, handele es sich bei der geleisteten Arbeitslosenhilfe nur um einen Durchlaufposten, der das Einkommen nicht erhöhe. Scheide eine Überleitung aus, erhöhe die Arbeitslosenhilfe den Streitwert.

Der Senat folgt der Rechtsprechung des 5. Familiensenats generell für Sozialleistungen. Unabhängig von der Zweckbestimmung beeinflussen Sozialleistungen die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien. Für die wirtschaftliche Situation der Parteien ist es unerheblich, aus welchen Quellen das bezogene Einkommen kommt. Ob ein Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich heute ein Einkommen hat, das gerade dem Existenzminimum entspricht oder ob er arbeitslos ist und einen entsprechenden Betrag als Sozialleistung, sei es nach SGB II, sei es nach SGB XII erhält, ist für seine wirtschaftliche Situation unerheblich. Ein Unterschied besteht nur dann, wenn Unterhaltsansprüche des Leistungsbeziehers gegen den anderen Ehegatten auf den Leistungsträger übergegangen sind oder übergeleitet worden sind bzw. übergeleitet werden können. In diesem Fall erhöhen diese Leistungen das Gesamteinkommen nicht, weil der andere Ehegatte aufgrund des übergegangenen Unterhaltsanspruchs diese Leistungen erstatten muss, mit der Folge, dass sich sein Einkommen schmälert. Ein solcher Fall liegt hier indessen nicht vor. Beide Parteien sind ersichtlich nicht in de...

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