Leitsatz (amtlich)
Wurde eine Ehe unter Beteiligung eines Minderjährigen, der das 16. Lebensjahr vollendet hatte, im EU-Ausland mit einem gerichtlichen Dispens nach dem dort geltenden Recht (hier: Bulgarien) wirksam geschlossen, so kann die Ehe in Deutschland im Regelfall nicht nach § 1314 Abs. 1 Nr. 1 BGB aufgehoben werden, weil die ansonsten verletzten Rechte der Ehegatten auf Freizügigkeit nach Art. 21 AEUV und die Rechte auf Arbeitsnehmerfreizügigkeit und Aufenthalt nach Art. 45 Abs. lit. b und c AEUV zur Annahme einer schweren Härte i.S.d. § 1315 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b BGB führen.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der am XX.XX.1997 geborene Antragsgegner und die am XX.XX.2001 geborene Antragsgegnerin, beide bulgarische Staatsangehörige, haben am XX.XX.2018 in Stadt1/Bulgarien die Ehe geschlossen. Die Eheleute haben ein vor der Eheschließung am XX.XX.2017 geborenes gemeinsames Kind. Die Antragsgegnerin ist erneut schwanger. Seit Mai 2018 haben die Eheleute ihren Aufenthalt in Deutschland. Der Antragsgegner arbeitet als Beruf1. In den Wintermonaten 2018/2019 besuchte er mangels Arbeit einen über das Job-Center vermittelten Sprachkurs.
Unter dem 01.11.2018 beantragte der Antragsteller, die Ehe der Antragsgegner gemäß § 1314 Abs. 1 BGB aufzuheben, da die Antragsgegnerin bei Eheschließung minderjährig und damit nicht ehemündig war.
Durch Beschluss vom 11.02.2019 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Gießen den Antrag des Antragstellers auf Aufhebung der am XX.XX.2018 in Stadt1/ Bulgarien geschlossenen Ehe zurückgewiesen. Das Amtsgericht begründete die Zurückweisung im Wesentlichen damit, dass ein Ausnahmetatbestand des § 1315 Abs. 1 Nr. 1 b BGB gegeben sei, da die Aufhebung der nach bulgarischem Recht wirksam geschlossenen Ehe für die minderjährige Antragsgegnerin eine schwere Härte darstellen würde. Sie sei nicht schutzbedürftig im Sinne des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen. Die persönliche Anhörung der Antragsgegner habe ergeben, dass die Antragsgegnerin die Ehe freiwillig eingegangen sei und mangels Schul- und Berufsausbildung wirtschaftlich auf die Unterhaltsleistungen ihres Ehemannes angewiesen sei. Im Übrigen wolle sie an der Ehe festhalten und würde im Falle der Aufhebung der Ehe diese erneut schließen. Es bestehe keine Notwendigkeit, die Antragsgegnerin gegen ihren Willen "vor der Ehe" zu schützen.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Er vertritt die Ansicht, ein Ausnahmefall im Sinne von § 1315 Abs. 1 Nr. 1 b BGB sei nicht gegeben. Aus der Gesetzesbegründung ließe sich ableiten, dass nur in gravierenden Einzelfällen, wenn etwa Suizid oder aber eine lebensbedrohliche Krankheit für die Minderjährige im Falle der Eheaufhebung drohe, von einer schweren Härte ausgegangen werden könne, die ausnahmsweise eine Aufrechterhaltung der Ehe gebiete. Dass die Antragsgegnerin die Ehe freiwillig eingegangen sei, könne als Argument für die Aufrechterhaltung der Ehe nicht herhalten, da bei einer unfreiwilligen Eingehung der Ehe bereits der Aufhebungstatbestand des § 1314 Abs. 2 Nr. 4 BGB greifen würde. Der Gesetzgeber habe bewusst die Altersgrenze der Ehemündigkeit auf 18 Jahre festgelegt, um so dem Umstand Rechnung zu tragen, dass bei einem Minderjährigen eine leichtere Beeinflussung gegeben sei und ihm typischerweise die Reife für eine so grundlegende Entscheidung wie die Eheschließung fehle. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung vom 18.04.2019 und den Schriftsatz vom 05.08.2019 verwiesen.
II. Die gemäß §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Ehe der Antragsgegner liegen nicht vor.
Die rechtliche Bewertung der Ehe richtet sich nach der nationalen Kollisionsnorm des Art. 13 Abs. 1 EGBGB. Danach unterliegen die Voraussetzungen für eine Eheschließung für jeden Verlobten dem Recht des Staates, dem er angehört, hier folglich dem bulgarischen Recht. Nach bulgarischem Recht haben die Antragsgegner am XX.XX.2018 in Stadt1/Bulgarien wirksam die Ehe geschlossen. Nach Art. 6 Abs. 1 des bulgarischen Familiengesetzbuchs vom 18.06.2009 besteht die Ehemündigkeit grundsätzlich erst ab 18. Jahren, jedoch kann gemäß Art. 6 Abs. 2 auch eine Person, die das 16. Lebensjahr vollendet hat, die Ehe eingehen, wenn eine Genehmigung des Rayonsrichters vorliegt. Es besteht kein Zweifel, dass diese Genehmigung, was von Antragstellerseite auch nicht bestritten wurde, entsprechend dem Vortrag der Antragsgegner vorlag und der Standesbeamte nach Vorlage der Genehmigung die Eheschließung der Antragsgegner wirksam vornahm. Insoweit wird auf die Ausführungen der Amtsrichterin in der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
Nach Art. 13 Abs. 3 Nr. 2 EGBGB ist die nach ausländischem Recht wirksam geschlossene Ehe nach deutschem...