Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 30.09.1993; Aktenzeichen 2/17 T 97/93) |
AG Frankfurt am Main (Urteil vom 10.04.1989; Aktenzeichen 33 M 84/92-30) |
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu befinden haben wird.
Bis zu einer anderweitigen Entscheidung des Landgerichts verbleibt es bei der einstweiligen Einstellung der Räumungsvollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 10.4.1989 (Az.: 33 C 3672/88-30).
Beschwerdewert: 11.000,– DM.
Gründe
Die form- und fristgerecht (§§ 793, 577 II S. 1 ZPO) angebrachte sofortige weitere Beschwerde des Schuldners vom 6.10.1993 ist auch im übrigen zulässig.
Zwar liegen zwei übereinstimmende Entscheidungen der vorinstanzlichen Gerichte vor, was im allgemeinen zur Folge hat, daß eine weitere Beschwerde nicht mehr gegeben ist (§ 568 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Nach der Bit der herrschenden Meinung im Einklang befindlichen Rechtsprechung des Senats ist aber in diesen Fällen die weitere Beschwerde ausnahmsweise dann eröffnet, wenn das landgerichtliche Verfahren einen schwerwiegenden Verfahrensfehler aufweist, der in Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes eine Korrektur erforderlich nacht (vgl. BVerfGE, 49, 252, 256 = NJW 1979, 538; BVerfG, NJW 1988, 1773 = ZIP 1988, 1409; KG, Rpfleger 1987, 211; Zöller-Schneider, Zivilprozeßordnung, 18. Aufl. 1993, S 568 Rn 16 ff).
Ein solcher Fehler ist hier zu bejahen. Der Senat hatte bereits in seinem Beschluß vom 26.11.1990 (20 W 380/90), auf den verwiesen wird, Ausführungen dazu gemacht, daß eine sorgfältige Prüfung erforderlich sei, ob der hochbetagten und nunmehr 97 Jahre alten Mutter des Schuldners durch eine Durchsetzung des Räumungsurteils des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 10.4.1989 ernstliche gesundheitliche Gefahren drohten.
Hierzu ist inzwischen ein ärztliches Gutachten eingeholt worden, welches zu dem Ergebnis kommt, daß die Mutter des Schuldners auch in einer anderen, vergleichbar möblierten Wohnung leben könnte, wenn dort die Möglichkeit des Zusammenlebens mit dem Sohn und dessen Lebenspartnerin sowie der Pflegerin bestünde. Dieses Gutachten bezieht sich mithin im Kern nur darauf, ob die Mutter des Schuldners einen Umzug überhaupt noch verkraften kann. Über die Auswirkungen einer zwangsweisen Wohnungsräumung auf den Gesundheitszustand der Mutter des Schuldners enthält das Gutachten keine verwertbare Aussage. Es endet lediglich mit dem Hinweis, daß schlechtere als die beschriebenen Wohnsituationen auch eine Verschlechterung des Zustandsbilds bedingen würden.
Die vom Sachverständigen attestierte allgemeine Umzugsfähigkeit der Mutter des Schuldners besagt aber nichts darüber, daß die Mutter ohne Lebensbedrohung auch eine Zwangsräumung überstehen würde, denn eine geeignete Wohnung hat der Schuldner derzeit nicht an der Hand. Dem entsprechenden Vorbringen des Schuldners über die lebensbedrohenden Auswirkungen der Zwangsräumung hat das Landgericht keine Bedeutung beigemessen. Ebensowenig ist es auf den Antrag des Schuldners eingegangen, den Sachverständigen dazu zu hören, daß die für den Fall der Zwangsräumung vorgenommene Interpretation der gutachterlichen Äußerungen durch den Schuldner zutreffend seien. Das Landgericht hat vielmehr ausgeführt, der Schuldner habe nicht dargelegt, daß er alle zumutbaren Anstrengungen unternommen habe, um dem Räumungsurteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 10.4.1989 zu entsprechen. Deswegen könne sich der Schuldner auch nicht auf das Vorliegen einer sittenwidrigen Härte berufen.
Es ist indessen anerkannt und davon gehen im Grunde auch die Vorinstanzen aus, daß eine Zwangsvollstreckung sittenwidrig sein kann, wenn die Maßnahme das Leben eines Schuldners oder das naher Angehöriger erheblich gefährden würde (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 51. Aufl. 1993, § 765 a Rn 19; Stein-Jonas-Münzberg, Komm. zur ZPO, 20. Aufl. 1986, § 765 a Rn 6). Verschulden des Schuldners an der eigenen Notlage ist bei der Abwägung der wechselseitigen Interessen zu berücksichtigen, mangelndes Verschulden ist aber nicht Voraussetzung für eine Anwendung der Härteklausel. Vielmehr muß es bei manchen Ausnahmesituationen sogar unberücksichtigt bleiben, ob der Schuldner durch eigenes Verschulden in die Zwangssituation gekommen ist (Zöller-Stöber, a.a.O., § 765 a Rn 7; Stein-Jonas-Münzberg, a.a.O., § 765 a Rn 6). Nicht erforderlich ist auch, daß die Maßnahme seitens des Gläubigers moralisch verwerflich ist, es genügt, wenn das Ergebnis sittenwidrig ist (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 765 a Rn 12).
Vor diesem Hintergrund greift die landgerichtliche Betrachtungsweise im Hinblick auf das Lebensrecht der Mutter des Schuldners zu kurz. Sie verletzt das rechtliche Gehör des Schuldners (Art. 103 Abs. 1 GG). Zwar schützt diese Vorschrift regelmäßig nicht davor, daß ein Gericht einem Umstand nicht die richtige ...