Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Modernisierende Instandsetzung bei schlechter Wärmedämmung der gemeinschaftlichen Außenwand
Verfahrensgang
AG Wiesbaden (Aktenzeichen 35 UR II 9/80) |
LG Wiesbaden (Aktenzeichen 4 T 85/81) |
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde, an das Landgericht Wiesbaden zurückverwiesen.
Wert: 10.500,– DM.
Gründe
Wegen des Sachverhalts wird auf dessen Darstellung in den Gründen des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig und führt in der Sache zur Aufhebung und Zurückverweisung. Der angefochtene Beschluß ist nicht rechtsfehlerfrei ergangen.
Das Landgericht geht zutreffend davon aus, daß die Beseitigung ursprünglicher Baumängel nicht zu den einstimmig zu beschließenden Maßnahmen des § 22 I WEG gehört; denn es handelt sich dann um Instandhaltung und Instandsetzung gemeinschaftlichen Eigentums (§ 21 V 2 WEG), worüber stets die Mehrheit entscheiden und die such ein einzelner Wohnungseigentümer verlangen kann (§ 21 IV WEG).
Es stützt seine Feststellung, daß die streitgegenständliche Außenwand der Wohnung der Antragstellerin von Anfang an ungenügend wärmegedämmt gewesen sei, einerseits auf die Augenscheinseinnahme und die Angaben der Mieterin, was allein zu einer Zurückweisung der Beschwerde nicht ausgereicht hätte, zum anderen aber an mehreren Stellen des angefochtenen Beschlusses auch auf den vom Sachverständigen … eingeräumten Berechnungsfehler beim Wärmedurchlaßwiderstand des KSL-Mauerwerks. Hierbei hat das Landgericht übersehen, daß nach der Baubeschreibung die streitgegenständliche Giebelwand fast ganz aus HBL-Steinen (vgl. die Bauzeichnung Anlage 3 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 18.2.1982), und bis auf die Ecke der Wand zum Balkon (vgl. Blatt 8 der Akten) nicht aus KSL-Steinen besteht. Schon deswegen kann der angefochtene Beschluß keinen Bestand haben; insbesondere ist dann noch nicht widerlegt, daß mit richtigem Heizen und Lüften die Feuchtigkeitsschäden behoben werden könnten.
Darüber hinaus reicht das Gutachten … deshalb nicht aus, weil der Gutachter nicht geklärt hat, welche Baustoffe tatsächlich verwandt worden sind.
Die Sachverständigen … und … haben im Gegensatz zu dem Sachverständigen …, dessen als Parteivortrag zu wertendes, von den Antragsgegnern eingeholtes Gutachten der Senat in der Rechtsbeschwerdeinstanz als Beweismittel nicht verwerten kann, die Wand nicht aufgeschlagen oder angebohrt; die Werte ihrer Rechnung sind damit theoretische (so der Sachverständige … im Termin vom 28.2.1983). Hinzu kommt, daß der Sachverständige … mit der DIN 4108 –1974 (geforderter Wärmedurchlaßwiderstand der Wand 0,47; erreicht 0,61 – 0,70; empfohlen 1,0) rechnet, der Sachverständige … dagegen mit der DIN 4108 –1981 (0,55; erreicht nach Berichtigung 0,61), während die Antragstellerin (Schriftsatz vom 16.1.1983) daraufhinweist, daß für die Bauzeit mit der DIN 4108 –1969 gerechnet werden müsse, was der Sachverständige … zwar aufgreift, aber eine wiederum andere Rohdichte des Mauerwerks angibt. Auch diese Ungereimtheiten sind anhand eines neuen Gutachtens über Ursachen der Schäden und die Möglichkeit ihrer Beseitigung aufzuklären, wobei der Senat auf folgendes hinweist.
Sollte sich ein DIN-gerechter Wärmedurchlaßwiderstandfür die Bauzeit ergeben, wird zu beachten sein, daß die DIN-Werte Mindestwerte sind und nur die – widerlegbare – Vermutung für sich haben, den allgemeinen Regeln der Bautechnik zu entsprechen (vgl. Werner-Pastor, Der Bauprozeß, 4. Aufl., Rdnr. 1023–1027; OLG Stuttgart BauR 77, 129). Es kann also trotz eines zulässigen DIN-Wertes ein ursprünglicher Baumangel vorliegen, wenn wissenschaftlich ein höherer Wärmedurchlaßwiderstand gefordert wird (vgl. bei Quenzer 1,0–1,3; bei Portmann 1,5).
Selbst wenn aber nicht schon ein ursprünglicher Baumangel vorliegen sollte, kann eine Instandsetzung auch dann verlangt werden, wenn diejetzt geltenden DIN-Werte nicht mehr erreicht werden (vgl. die Ausführungen von … im Schreiben vom 22.8.1983). Die Instandsetzung beinhaltet nämlich nicht nur die Beseitigung ursprünglicher Mängel des gemeinschaftlichen Eigentums, sondern auch Maßnahmen, die anläßlich einer ohnehin erforderlichen Reparatur aufgrund neuer Erfahrungen der technischen Entwicklung im Rahmen einer vernünftigen Kosten-Nutzenanalyse geboten sind (modernisierende Instandsetzung; vgl. Münchener Kommentar-Röll, § 22 WEG Rdnr. 2; Weitnauer, WEG, 6. Aufl., § 21 Rdnr. 15 b; Bärmann-Pick-Merle, WEG, 5. Aufl., § 21 Rdnr. 36, 37; Palandt-Bassenge, BGB, 42. Aufl., § 22 WEG Anm. 1 c, e; OLG Hamm OLGZ 82, 260 m.w.N.).
Die Wertfestsetzung erfolgte nach § 48 II WEG.
Fundstellen
Haufe-Index 555728 |
OLGZ 1984, 129 |