Leitsatz (amtlich)
In einer Familienstreitsache ist der Antragsgegner nur dann beschwerdebefugt, wenn er (materiell) beschwert ist. Hieran fehlt es, wenn in einem Abänderungsverfahren das Ausgangsgericht in Verkennung des Umfangs der bestehenden Titulierung nicht nur dem Antrag des Antragstellers nicht entspricht, sondern auch noch zu dessen Lasten eine Abänderung in entgegengesetzter Richtung - und damit zu Gunsten des Antragsgegners - vornimmt.
Zur Umrechnung eines nach der Regelbetrags-VO errichteten Titels.
Normenkette
FamFG §§ 59, 244; EGZPO § 36 Nr. 4
Verfahrensgang
AG Wetzlar (Aktenzeichen 614 F 546/15) |
Tenor
I. wird der Beschwerdewert vorläufig auf unter EUR 500,00 festgesetzt.
II. Der Senat beabsichtigt, die Beschwerde des Antragsgegners zu verwerfen, weil ihm die nach § 59 I FamFG nötige Beschwer fehlt.
III. Der Senat beabsichtigt, die Wertfestsetzung für die 1. Instanz von Amts wegen, § 55 III FamGKG, auf EUR 3.380,00 zu ermäßigen.
IV. Die Antragstellerin hat nicht dargelegt, über keinen - gegenüber der Verfahrenskostenhilfe vorrangigen - Verfahrenskostenvorschussanspruch gegen den Antragsgegner verfügen.
V. Der Senat beabsichtigt, nach dem 28.04.2017 über die Beschwerde, die Wertkorrektur und den Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragstellerin zu entscheiden.
Gründe
Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 40, 51 FamGKG und berücksichtigt, dass der Antragsgegner durch den von ihm angefochtenen Beschluss nicht beschwert ist vielmehr geht von diesem eine materielle Beschwer zu Lasten der Antragstellerin aus, ohne dass diese diesen Umstand zum Gegenstand eines eigenen Rechtsmittels machte.
Im Einzelnen:
Gegenstand des Ausgangsverfahren war (nur) die von der Antragstellerin begehrte Abänderung der vom Antragsgegner am 19.12.2006 erstellten, den Unterhalt der Antragstellerin ab 01.01.2007 regelnden Jugendamtsurkunde "nach oben", d.h. zu Gunsten der Antragstellerin. Im Ausgangspunkt war und ist daher danach zu fragen, in welchem Umfang hierdurch eine Titulierung schon erfolgt war, wobei ein zum Minderjährigenunterhalt geschaffener Titel nach Eintritt der Volljährigkeit des Gläubigers weiterhin Gültigkeit hat, § 244 FamFG.
Tituliert wurden vom Antragsgegner ehedem 135% des Regelbetrages nach § 1 der bis zum 31.07.2007 gültigen Regelbetrags-VO abzüglich hälftigem Kindergeld in der zweiten, ab 01.01.2009 in der dritten Altersstufe diese Regelung ist zum 01.01.2008 nach Maßgabe von § 36 Nr. 4 EGZPO wie folgt in einen Mindestunterhaltssatz umzurechnen:
EUR 331,00 (135% des Regelbetrages 2. Altersstufe) : 322,00 (Mindestbedarf 2. Altersstufe)=) 103% des Mindestunterhaltes,
ab 01.01.2009 tituliert in der 3. Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergeldes. Dies bedeutet nachstehende Zahlbeträge:
a) ab 01.02.2015: EUR 347,00
b) ab 01.08.2015: EUR 362,00
c) ab 01.01.2016: EUR 369,00
d) ab 01.01.2017: EUR 378,00
Das Familiengericht hat nunmehr - ohne dass es einen (Wider-)Antrag des Antragsgegners gegeben hätte - die Jugendamtsurkunde dahingehend abgeändert, dass ab 02/2015 mtl. EUR 329,00, ab 01.08.2015 mtl. EUR 346,00 und ab 01.01.2016 mtl. EUR 352,00 nur zu entrichten sind. Damit hat der Antragsgegner bereits mehr erreicht, als er erstinstanzlich beantragte. Von dem Beschluss des Familiengerichts geht daher zu seinen Lasten keine Beschwer aus, weshalb der Senat seine Beschwerde als unzulässig erachtet und für das Beschwerdeverfahren zur Festsetzung des Mindestwertes tendiert.
Die Korrektur des Verfahrenswertes für die erste Instanz erfolgt, weil das Familiengericht nicht die Höhe der bestehenden Jugendamtsurkunde berücksichtigte. Der Wert bestimmt sich vielmehr nur nach der Differenz zwischen Antrag und bestehendem Titel.
In dem nach § 51 I und II 1 FamGKG maßgeblichen Zeitraum Februar 2015 bis Juni 2016 (17 Monate) begehrte die Antragstellerin einen mtl. Unterhalt von 558,00, was sich in diesem Zeitraum auf einen Gesamtbetrag von (17 × EUR 558=) EUR 9.486,00 beläuft. Durch die Jugendamtsurkunde waren aber bereits tituliert Rückstände von 02-06/2015: 5 × 347,00 sowie lfd. Unterhalt von 07/2015-06/2016: EUR 347,00, 5 × EUR 362,00, 6 × EUR 369,00, in Summe: EUR 6.106,00. Die Differenz beider Werte beträgt somit nur EUR 3.380,00.
Die Antragstellerin hat nicht dargelegt, über keinen - gegenüber der Verfahrenskostenhilfe vorrangigen - Verfahrenskostenvorschussanspruch gegen den Antragsgegner verfügen; ihr Bedarf ermittelt sich insofern unabhängig von der Lebensstellung des Antragsgegners nach der Höhe der nötigen Verfahrenskosten. Ihre Bedürftigkeit, § 1602 BGB, ist zwar nach dem Ende ihrer Schulausbildung im Sommer 2016 als offen, aber eben nicht als ausgeschlossen anzusehen und für mangelnde Leistungsfähigkeit des Antragsgegners ist nichts erkennbar.
Frankfurt am Main, den 29. März 2017
Oberlandesgericht, 4. Senat für Familiensachen
Fundstellen
Dokument-Index HI11246050 |