Entscheidungsstichwort (Thema)
Beruhen. Drohung. Erzwingung. Folter. Folterverbot. Geständnis. Menschenrechtskonvention. Strafverfahren. Verwertbarkeit. Wiederaufnahme. Wiederaufnahmegrund. Zu den Voraussetzungen einer Wiederaufnahme nach § 359 Nr. 6 StPO
Normenkette
EMRK Art. 3, 6; StGB § 57b; StPO §§ 136, 136a, 359 Nrn. 5-6, §§ 364a, 364b, 366, 368
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Entscheidung vom 09.11.2011; Aktenzeichen 1032 Js 60705/10) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde und die Beschwerde werden verworfen.
2. Der Verurteilte hat die Kosten der Rechtsmittel und die den Nebenklägern durch die sofortige Beschwerde erwachsenden notwendigen Auslagen der Nebenkläger zu tragen.
Gründe
I. Das Landgericht Frankfurt am Main verurteilte den Verurteilten am 9.4.2003 wegen Mordes in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub mit Todesfolge und wegen falscher Verdächtigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung in zwei Fällen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtfreiheitsstrafe. Es stellte ferner die besondere Schwere der Schuld fest.
Die gegen das Urteil eingelegte Revision verwarf der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 21.5.2004 (Az: 2 StR 35/04) als offensichtlich unbegründet gem. § 349 Abs. 2 StPO. Eine vom Verurteilten erhobene Verfassungsbeschwerde wurde mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg mit Beschluss vom 14.12.2004 (Az: 2 BvR 1249/04) gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat durch Urteil vom 1.6.2010 festgestellt, dass dem Verurteilten während seiner polizeilichen Vernehmung am ....2002 mit Folter gedroht wurde, um ihn zur Preisgabe des Aufenthaltsortes seines Opfers zu veranlassen und dass diese Vernehmungsmethode zwar keine Folter, aber eine nach Artikel 3 EMRK verbotene unmenschliche Behandlung darstellte.
Einen Verstoß gegen Artikel 6 der EMRK (faires Verfahren) hat der Gerichtshof nicht festgestellt. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof ausdrücklich festgestellt, dass die Kausalkette zwischen den verbotenen Ermittlungsmethoden und der Verurteilung des Beschwerdeführers in Bezug auf die beanstandeten sachlichen Beweismittel aufgrund seines zweiten Geständnisses in der Hauptverhandlung, das durch weitere makellose Sachbeweismittel bestätigt worden sei, unterbrochen worden sei. Der Gerichtshof verneint auch einen Zusammenhang zwischen den Geständnissen in der Hauptverhandlung und den Verstoß gegen Artikel 3 EMRK. Die Verteidigungsrechte des Verurteilten und sein Recht auf Selbstbelastungsfreiheit seien gewahrt worden, so dass das Verfahren insgesamt als fair anzusehen sei.
Der Verurteilte begehrt mit seinem Antrag vom 18.10.2010 die Wiederaufnahme seines Strafverfahrens und Beiordnung eines Verteidigers für dieses Verfahren bzw. zu dessen Vorbereitung.
Zur Begründung seines Antrages berief sich der Verurteilte auf die Entscheidung des EGMR vom 1.6.2010, durch die er den Wiederaufnahmegrund des § 359 Nr. 6 StPO als gegeben ansieht. In Abweichung von der Entscheidung des EGMR ist der Verurteilte der Ansicht, dass das Urteil des Landgerichts Frankfurt auf dem konventionswidrigen Zwang im Ermittlungsverfahren beruhe. Nur aufgrund dieses Zwanges habe der Verurteilte den Fundort der Leiche offenbart und damit den Zugriff auf eine Vielzahl von Beweismitteln ermöglicht. Nachdem das Landgericht am ersten Verhandlungstag zwar die Geständnisse des Verurteilten, nicht aber die daraufhin aufgefundenen Beweismittel als nicht verwertbar angesehen habe, habe die Verurteilung festgestanden. Das Geständnis des Verurteilten habe auf die ohnedies unabwendbare Verurteilung keine eigenständige Bedeutung gehabt. Der Verurteilte habe lediglich das gestanden, was durch die objektiven Beweise bewiesen gewesen sei.
Der Verurteilte bezog sich zur Begründung des Wiederaufnahmeantrages ferner auf den Wiederaufnahmegrund gemäß § 359 Nr. 5 StPO. Zur Begründung berief er sich in seinem Antrag vom 18.10.2010 auf "die in dem Verfahren gegen C und D erst nach rechtskräftiger Verurteilung des Verurteilten bekannt gewordenen Tatsachen über die Art und Weise der Beweiserhebung, die insbesondere nach dem Eilverfahren gemäß § 32 BVGG (Az.: .../06) und während des Verfahrens vor dem EGMR durch den gegnerischen Vortrag bekannt gewordenen neuen Tatsachen über die Art und Weise der Beweismittelerlangung". Der Verurteilte nahm insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf den Sachvortrag in dem Staatshaftungsverfahren vor dem Landgericht Frankfurt .../05. Er verwies in vollem Umfang auf die dem Antrag beigefügten Klageschrift und regte die Beiziehung der Akte des Landgerichts Frankfurt an.
Auf Seite 11 der Antragsschrift heißt es unter Ziffer 7:
(Vom Abdruck wurde abgesehen - die Red.)
In dem Schriftsatz vom 10.7.2011 hat der Verteidiger des Verurteilten dann ergänzend ausgeführt, dass "neu" im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO" insbesondere der klare Beweis sei, dass dem Antragsteller nicht etwa aus irgendwelchen Belangen der Rettungsabsicht, sondern allein aus rec...