Leitsatz (amtlich)

1. Der Zulässigkeit einer Beschwerde gegen den Beschluss zur Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren steht § 256 FamFG nicht entgegen, wenn sie sich gegen die in dem angefochtenen Beschluss konkludent erfolgte Verwerfung des Einwands der fehlenden Leistungsfähigkeit richtet.

2. Die Erklärung, über kein für die Leistung von Unterhalt ausreichendes Einkommen zu verfügen, kann als konkludent abgegebene Erklärung im Sinne des § 252 Abs. 2 FamFG darüber gewertet werden, inwieweit der Antragsgegner zur Unterhaltsleistung bereit ist und dass er sich insoweit zur Erfüllung des Unterhaltsanspruchs verpflichtet.

3. Sind im vereinfachten Verfahren Einwendungen, die nicht die Zulässigkeit des Verfahrens betreffen, den Anforderungen der § 252 Abs. 2 bis 4 FamFG entsprechend erhoben, ist unmittelbar in das Verfahren nach §§ 254, 255 FamFG überzugehen.

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur weiteren Bearbeitung durch den Rechtspfleger nach §§ 254, 255 FamFG an das Familiengericht zurückverwiesen.

Für das Beschwerdeverfahren wird von der Erhebung von Gerichtskosten abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung einer Unterhaltsverpflichtung aus nach § 7 Unterhaltsvorschussgesetz übergegangenem Recht im vereinfachten Unterhaltsverfahren.

Die Antragsgegnerin ist die Mutter des Kindes A, geboren am XX.XX.2010, das im Haushalt des das staatliche Kindergeld beziehenden Kindesvaters lebt. Für das Kind erbrachte und erbringt das antragstellende Land Hessen, vertreten durch die Unterhaltsvorschusskasse des Kreisausschusses des Landkreises1, im streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.

Mit Schreiben vom 22.06.2021 forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin zur Erteilung einer Auskunft über ihre Einkünfte und ihr Vermögen auf. Mit Schreiben vom 27.07.2021 forderte der Antragsteller sie zur Unterhaltsleistung auf. Die Antragsgegnerin leistete im gesamten Zeitraum keinerlei Unterhalt.

Mit Schriftsatz vom 21.10.2021 beantragte der Antragsteller erstinstanzlich die Festsetzung der Zahlungsverpflichtung der Antragsgegnerin über den laufenden Kindesunterhalt ab November 2021 in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts nach der Düsseldorfer Tabelle für die jeweilige Altersstufe abzüglich des vollen Kindergelds zuzüglich eines Rückstandsbetrags in Höhe von 1.392,00 Euro für die Zeit vom 01.05.2021 bis 31.10.2021 (6 × 232,00 Euro) nebst Zinsen im vereinfachten Unterhaltsverfahren.

Die Antragsschrift nebst Belehrung und Einwendungsvordruck wurde der Antragsgegnerin am 10.11.2021 zugestellt.

Mit Schreiben vom 17.11.2021 erhob die Antragsgegnerin unter Verwendung des amtlichen Vordrucks Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt. Unter Punkt C gab sie an, weder über Einkommen noch Vermögen zu verfügen, das ihr eine Unterhaltszahlung erlaube. Unter Punkt E bezifferte sie ihr Einkommen auf ca. 1.300,00 Euro und unter Punkt F erklärte sie, kein Vermögen zu haben. Sie fügte Einkommensnachweise für die Monate Februar, März, Juli und September 2021 bei. Im April 2021 hatte sie den Arbeitgeber gewechselt und seither das von ihr mitgeteilte (höhere) Einkommen bezogen. Der Antragsteller erhielt mit Schreiben vom 23.11.2021, auf das Bezug genommen wird, Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Einwendungen. Er beantragte unter Beifügung einer Berechnung auf der Basis der ihm vorliegenden Lohnabrechnungen für Mai, Juni, Juli und September 2021, den Unterhalt im vereinfachten Verfahren festzusetzen, weil der erhobene Einwand unbegründet sei. Daraufhin forderte das Amtsgericht die Antragsgegnerin auf, noch die Lohnabrechnungen für die Monate Mai bis November einzureichen. Dieser Aufforderung kam die Antragsgegnerin nach. Mit Schreiben vom 09.03.2022 teilte der Antragsteller mit, dass er anhand der nun vollständig nachvollziehbaren Einkünfte der Antragsgegnerin eine erneute Unterhaltsberechnung vorgenommen habe, wonach für die Zeit vom 01.05.2021 bis 30.11.2021 ein Unterhaltsrückstand von monatlich 216,00 Euro zu fordern sei (insgesamt 1.512,00 Euro) und ab 01.12.2021 eine Zahlungsverpflichtung in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des vollen Kindergelds (monatlich 232,00 Euro) festgesetzt werden solle.

Daraufhin erließ der Rechtspfleger des Amtsgerichts ohne weitere Anhörung der Antragsgegnerin den beantragten Festsetzungsbeschluss, erlegte ihr die Kosten des Verfahrens auf und ordnete die sofortige Wirksamkeit an. Den Verfahrenswert setzte er für den ersten Rechtszug auf 7.089,00 Euro fest. Die erhobenen Einwendungen seien bei dem rückständigen Unterhalt berücksichtigt worden. Auf die Frage der Zulässigkeit der Einwendungen geht der Beschluss mit keinem Wort ein.

Mit ihrem am 18.07.2022 eingegangenen als Widerspruch bezeichneten Rechtsmittel gegen den ihr am 24.06.2022 zugestellten Beschluss macht die Antragsgegnerin gelte...

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