Leitsatz (amtlich)

1. Die Vollstreckung eines belgischen Urteils über nachehelichen Unterhalt, verstößt selbst dann nicht gegen den deutschen ordre public, wenn das Urteil darauf beruht, dass dem unterhaltspflichtigen Ehegatten die Schuld am Scheitern der Ehe zugesprochen wird.

2. Bei dem nach belgischen Recht eingelegten Pourvoi en Cassation handelt es sich um einen "ordentlichen Rechtsbehelf" i.S.d. Art. 46 Abs. 1 EuGVVO.

3. Eine Aussetzung des Verfahrens auf Erteilung der Vollstreckungsklausel gem. Art. 46 Abs. 1 EuGVVO kommt nicht in Betracht, soweit der Antragsgegner dem von ihm im Erststaat erhobenen, noch nicht beschiedenen Rechtsbehelf Einwände zugrunde legt, die er auch im bisherigen dortigen Verfahren hätte vorbringen können.

4. Bei der Ermessensentscheidung, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung durch denjenigen, welcher die Vollstreckbarkeitserklärung begehrt, einzustellen (Art. 46 Abs. 3 EuGVVO), sind im Einzelfall alle Nachteile zu berücksichtigen, die sich bei einer Vollstreckung aus einer nur vorläufig vollstreckbaren Entscheidung für den Vollstreckungsgläubiger im Rahmen seines bisherigen Prozessverhaltens hat Zweifel aufkommen lassen, in welchem Land sich ihm gehörende Vermögensgegenstände befinden, die bei einer etwaigen Rückabwicklung der vorläufigen Vollstreckung nach einem Erfolg des noch nicht beschiedenen Rechtsbehelfs im Erststaat von Bedeutung sind.

 

Normenkette

AVAVG § 22; EuGVVO §§ 45, 46 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 18.10.2004; Aktenzeichen 2-3 O 546/04)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 3. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. vom 18.10.2004 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Zwangsvollstreckung der Antragstellerin aus dem Urteil des Tribunal de Premiére Instance de Bruxelles vom 8.4.2004 - Az.: 2001/8749/A davon abhängig gemacht wird, dass die Antragstellerin Sicherheit i.H.v. 48.000 EUR leistet.

Von den Kosten des Rechtsmittels tragen der Antragsteller 2/3 und die Antragsgegnerin 1/3.

Der Beschwerdewert wird auf 45.600 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt die Erteilung einer Vollstreckungsklausel für das Urteil des Tribunal de Premiére Instance de Bruxelles vom 8.4.2004 - Az. 2001/8749/A -, durch welches der Antragsgegner im Wesentlichen verurteilt worden ist, bestimmte nacheheliche Unterhaltsleistungen pro Monat zu erbringen; wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf die Kopie in französisch (Bl. 39 ff. d.A.) und auf die deutsche Übersetzung (Bl. 47 ff. d.A.) verwiesen. Die Ehe war im Dezember 1997 durch Urteil eines schwedischen Gerichts geschieden worden.

Mit Beschl. v. 18.10.2004, dem Antragsgegner zugestellt am 9.11.2004, hat der Vorsitzende einer Zivilkammer des LG Frankfurt/M. die beantragte Erteilung der Vollstreckungsklausel angeordnet. Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner am 9.12.2004 Beschwerde eingelegt. Er ist entsprechend seinem Hauptantrag der Auffassung, dass der Beschluss gem. Art. 45 i.V.m. Art. 34 Nr. 1 EuGVVO aufzuheben sei, da die Verurteilung zu Unterhaltsleistungen nach belgischem Recht auf dem Schuldprinzip beruhe und der Beschluss daher gegen den deutschen ordre public verstoße. Hilfsweise beantragt er die Aussetzung des vorliegenden Verfahrens gem. Art. 46 Abs. 1 EuGVVO, da er gegen das genannte Urteil des Tribunal de Premiére Instance de Bruxelles als ordentlichen Rechtsbehelf im Sinne der genannten Vorschrift fristgemäß einen Pourvoi en Cassation zum Cour de Cassation eingelegt habe, der überwiegende Erfolgsaussicht habe. Weiter hilfsweise begehrt er, gem. Art. 46 Abs. 3 EuGVVO die Zwangsvollstreckung von der Leistung einer Sicherheit durch die Antragstellerin abhängig zu machen oder die Abwendungsbefugnis des Antragsgegners auszusprechen, da die Vermögenssituation der Antragstellerin mit den Erwägungen des belgischen Urteils als undurchsichtig zu bezeichnen sei und bei einem Obsiegen mit dem belgischen Rechtsmittel eine Rückerlangung gezahlter Beträge von der Antragstellerin, die in Belgien lebe, mit unzumutbarem Aufwand verbunden sei. Wegen der Einzelheiten seines Sachvortrags und der vom ihm gestellten Anträge wird auf den Inhalt der Beschwerdeschrift vom 8.12.2004 (Bl. 163 ff. d.A.) verwiesen.

Die Antragstellerin ist der Beschwerde mit Schriftsatz vom 14.2.2005 (Bl. 219 ff. d.A.) entgegengetreten. Sie hält einen Verstoß gegen den deutschen ordre public nicht für gegeben und meint überdies, das vom Antragsteller gegen das belgische Urteil eingelegte Rechtsmittel fülle den Begriff des "ordentlichen Rechtsbehelfs" nicht aus.

II. Die Beschwerde ist zulässig (Art. 43 EuGVVO, § 11 AVAVG), aber lediglich in ihrem zweiten Hilfsantrag begründet.

1. Der angefochtene Beschluss ist nicht entsprechend dem Hauptantrag des Antragsgegners gem. Art. 45 i.V.m. Art. 34 Nr. 1 EuGVVO wegen eines Verstoßes gegen den deutschen ordre public aufzuheben. Ein solcher Verstoß wäre nur anzunehmen, wenn die Anerkennung des Titels nach den Wertungen der inländische...

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