Leitsatz (amtlich)

1. Zur Geltung des WA 1955 bei Versendung von Deutschland in die USA.

2. Bedeutung von Zu- und Ablieferungsdiensten bei internationalem Luftfrachtbrief.

3. Bedeutung der Gewichtsangabe im internationalen Luftfrachtbrief.

4. Fehlende Wertdeklaration (Fehlen einer entsprechenden Rubrik im Luftfrachtbrief; Frage des Mitverschuldens und Wechselspiel zwischen Art. 22 Abs. 2a und Art. 25 WA 1955; Kausalitätsfrage).

5. Zum Zustandekommen eines Abfindungsvergleichs bei wiederkehrender Versendung schriftlicher Abfindungsangebote samt Scheck (§ 1 AGBG, krasses Missverhältnis zwischen Scheck- und Schadensbetrag).

6. Zur Anwendbarkeit des Art. 26 Abs. 2, 4 WA 1955 bei Totalverlust.

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 24.09.2002; Aktenzeichen 18 O 68/01)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des LG Darmstadt vom 24.9.2002 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des zweiten Rechtszuges tragen.

 

Gründe

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie eignet sich nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

Die Berufung der Beklagten ist auch unbegründet, weshalb sie gem. § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen war.

Der Senat hält - entsprechend seinem Hinweisbeschluss vom 5.7.2004, auf den verwiesen wird (Bl. 253 + 260 d.A.) - daran fest, dass die Beklagte aufgrund des im internationalen Luftfrachtbrief vom 23.11.2000 dokumentierten Transportauftrages zu Recht zur Zahlung von 21.153,68 Euro (vormals 41.373 DM) nebst Zinsen verurteilt worden ist.

Dieser Zahlungsanspruch steht der Klägerin - deren Aktivlegitimation im zweiten Rechtszug nicht mehr im Streit steht - unter Berücksichtigung einer außergerichtlichen Zahlung der Beklagten von 850 DM gem. Art. 18 des Abkommens zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr i.d.F. von Den Haag 1955 (im Folgenden Text kurz WA 1955) zu.

Das WA 1955 greift vorliegend ein, nachdem neben Deutschland auch die USA 1998 zum Vertragsstaat geworden sind (Deutschland seit der Ratifizierung am 1.8.1963 und die USA seit der Ratifizierung des Montrealer Zusatzprotokolls Nr. 4 im Jahre 1998, vgl. dort Art. XIX Abs. 2; vgl. Giemulla/Schmid/von Elm, Recht der Luftfahrt, 4. Aufl., 2003, S. 115; Koller, Transportrecht, 5. Aufl., Protokoll Nr. 4 - Vertragsstaaten). Darüber besteht zwischen den Parteien auch kein Streit.

Da nach dem wechselseitigen Vorbringen der Parteien davon auszugehen ist, dass die von der Beklagten neben dem durch Luftbeförderung zu gewährleistenden Transport von Deutschland nach USA auch erbrachten Zu- und Ablieferungsdienste von ihrer Bedeutung her neben der Luftbeförderung reinen Annexcharakter hatten, und da der am 23.11.2000 ausgestellte internationale Luftfrachtbrief gem. Art. 11 Abs. 1 WA 1955 für den Abschluss eines internationalen Luftvertrages i.S.d. Art. 1 WA 1955 streitet, ist nicht von einer multimodalen, also gemischten oder kombinierten Beförderung i.S.d. Art. 31 Abs. 1 WA 1955 auszugehen (Giemulla/Schmid, Warschauer Abkommen, lose Blattsammlung, Stand Dezember 2003, Art. 18 WA 1955, Rz. 22 ff. mit Art. 31 WA 1955 Rz. 1a f.; Koller, Transportrecht, 5. Aufl., 2004, Art. 5 bis 11 WA 1955, Rz 13 ff.; BGH TranspR 2001, 29 f.; OLG München v. 7.5.1999 - 23 U 6113/98, OLGReport München 1999, 192). Soweit es die sich als bloßes "Akzessorium der Luftbeförderung" und nicht etwa als Bestandteil einer gemischten Beförderung darstellenden Zulieferdienste der Beklagten betrifft, gilt somit Art. 18 Abs. 3 WA 1955 mit der Folge, dass widerleglich vermutet wird, dass der Schaden durch ein während der Luftbeförderung eingetretenes Ereignis entstand. Auch hiergegen richtet sich die Berufung nicht.

Da die Schadensursache nicht in der Sphäre der Versicherungsnehmerin der Klägerin liegt (wird nachfolgend ausgeführt), und da in der Sphäre der Beklagten unklärbar geblieben ist, wo die Luftfracht abhanden kam, bleibt es folglich zunächst bei der nach Art. 18 WA 1955 generell begründeten und grundsätzlich beschränkten Einstandspflicht der Beklagten aufgrund vermuteten Verschuldens (Giemulla/Schmid, Warschauer Abkommen, lose Blattsammlung, Stand 12/2003, Art. 18 WA, Rz. 23d; Kronke in MünchKomm/HGB, Transportrecht, 1997, Art. 18 WA 1955, Rz. 18, 45 mit Art. 25 WA 1955, Rz. 1).

Mit dem LG ist davon auszugehen, dass die Versicherungsnehmerin der Klägerin der Beklagten das zu befördernde Gut - wie es für die Anwendung des Art. 18 Abs. 3 WA 1955 vorausgesetzt wird - in einwandfreiem Zustand übergeben hat.

Dafür spricht bereits die Gewichtsangabe im internationalen Luftfrachtbrief (0,5 Kilogramm). Nach Art. 11 Abs. 2 WA 1955 gilt dieses Gewicht bis zum Beweis des Gegenteils als richtig (vgl. Koller, Transportrecht, 5. Aufl., 2004, Art. 5 bis 11 WA 1955, Rz. 18 f.). Wäre das Paket - äußerlich nicht erkennbar - leer gewesen, also ohne die streitgegenständlichen Ringe an die Beklagte übergeben worden, wäre das Gewicht nicht zu erklären....

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