Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgekürzte Führungsaufsicht. Ablauf. Maßregelrecht. nachträgliche Verlängerung. Widerruf

 

Leitsatz (amtlich)

Ist die zur Bewährung ausgesetzte Maßregel nach Ablauf der gemäß § 68 c Abs.1 Nr. 2 StGB abgekürzten Dauer der Führungsaufsicht gem. § 68 g Abs. 5 StGB erledigt, weil kein Widerruf erfolgt, so kann die Dauer der Führungsaufsicht nicht rückwirkend verlängert werden.

 

Normenkette

StGB § 67b Abs. 2, § 67g Abs. 5, § 68c Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 04.10.2010; Aktenzeichen 5/27 KLs 3530 Js 237072/05 (1/06))

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main - 27. Große Strafkammer - vom 4. Oktober 2010 aufgehoben.

Die mit Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 9. November 2006 angeordnete - zur Bewährung ausgesetzte - Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist mit dem Ende der Führungsaufsicht erledigt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last.

 

Gründe

Mit seit dem 17. November 2006 rechtskräftigem Urteil vom 9. November 2006 ordnete das Landgericht im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus an und setzte deren Vollstreckung zugleich zur Bewährung aus (§ 67b Abs. 1 StGB). Im Anschluss an das Urteil verkündete die Strafkammer einen Beschluss, mit dem sie die "Bewährungszeit" auf drei Jahre festsetzte und den Betroffenen unter anderem anwies, eine bereits begonnene Therapie fortzusetzen. Am 3. April 2009 änderte die Strafkammer den Beschluss vom 9. November 2006 gemäß § 68d StGB teilweise ab, ließ die Dauer der "Bewährungszeit" mit drei Jahren jedoch unverändert. Mit weiterem Beschluss vom 4. Juni 2010 setzte die Strafkammer die Dauer der Führungsaufsicht bis zum 16. November 2011 fest, da hierüber bislang noch keine Regelung getroffen worden und dies nachzuholen sei. Im Übrigen gestaltete sie die Führungsaufsicht aus, in dem sie die Weisungen aus dem Beschluss vom 3. April 2009 unverändert übernahm.

Am 25. August 2010 hat der Betroffene durch seinen Verteidiger beantragt, die "Strafe" nach Ablauf der Bewährungszeit zu "erlassen" und die Führungsaufsicht aufzuheben. Mit Beschluss vom 4. Oktober 2010 hat die Strafkammer diese Anträge zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der sofortigen Beschwerde.

Das Rechtsmittel ist zulässig. Allerdings richtet sich das Verfahren nicht nach § 453 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 StPO, weil ein Erlass gemäß § 56g Abs. 1 StGB mangels einer gegen den Betroffenen - neben der Anordnung der Unterbringung - verhängten Strafe hier von vorneherein nicht in Betracht kommt. Vielmehr hat es das Landgericht mit der angefochtenen Entscheidung abgelehnt festzustellen, dass die Maßregel gemäß § 67g Abs. 5 StGB erledigt ist. Dagegen ist die sofortige Beschwerde nach §§ 463 Abs. 6 Satz 1, 462 Abs. 3 Satz 1, 311 StPO eröffnet.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Mit Aussetzung der Unterbringung trat kraft Gesetzes Führungsaufsicht ein (§ 67b Abs. 2 StGB). Indem das Landgericht mit Beschluss vom 9. November 2006 und nochmals mit Beschluss vom 3. April 2009 die Dauer der "Bewährungszeit" auf drei Jahre festsetzte, kürzte es der Sache nach die Höchstdauer der Führungsaufsicht gemäß § 68c Abs. 1 StGB von fünf Jahren auf drei Jahre ab (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 1. November 2000 - 3 Ws 1098/00). Damit endete die Führungsaufsicht am 16. November 2009. Da ein Widerruf der Aussetzung der Unterbringung nicht erfolgte, war zugleich die Maßregel erledigt (§ 67g Abs. 5 StGB).

Für eine Auslegung dahin, dass das Landgericht in den Beschlüssen vom 9. November 2006 und 3. April 2009 nur die Bewährungszeit, nicht aber die Dauer der Führungsaufsicht festlegen, diese vielmehr noch offen lassen und einer späteren Entscheidung vorbehalten wollte (vgl. OLG Koblenz NStZ 2000, 92; a.A. allerdings Senat, Beschluss vom 24. August 2010 - 3 Ws 752/10 m.N.) ist hier schon deshalb kein Raum, weil allein die Dauer der Führungsaufsicht zu bestimmen war. Der in § 68g StGB geregelte Fall des Nebeneinander von Führungsaufsicht und Bewährungszeit liegt hier nicht vor. Zudem hat die Strafkammer ihren Beschluss vom 3. April 2009 ausdrücklich "gemäß § 68d StGB" gefasst und die "Bewährungszeit" erneut auf drei Jahre festgesetzt. § 68d StGB betrifft aber gerade nachträgliche Änderungen der Führungsaufsicht, einschließlich deren Dauer. Dabei ist die Strafkammer offenbar weiterhin davon ausgegangen, dass eine abgekürzte Unterstellungszeit gemäß § 68c Abs. 1 Satz 2 StGB von drei Jahren ausreicht, um zu erproben, ob der Zweck der Maßregel den Vollzug der Unterbringung erfordert, oder, falls bis dahin kein Widerruf erfolgen muss, diese nach Ablauf der Frist ihre Erledigung finden kann.

Da mit dem Ende der Führungsaufsicht am 16. November 2009 kraft Gesetzes (§ 67g Abs. 5 StGB) die Erledigung der Maßregel ein...

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