Entscheidungsstichwort (Thema)
Regelmäßiges Fahrverbot bei Erfüllung des Tatbestands des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BKatV, Nr. 132.3 BKat
Leitsatz (amtlich)
1. Die Erfüllung des Tatbestands des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BKatV, Nr. 132.3 BKat indiziert das Vorliegen eines groben Verstoßes im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 1 StVG, weshalb es regelmäßig eines Fahrverbots bedarf; ein Ausnahmefall ist nur dann gegeben, wenn aufgrund der Umstände des Einzelfalls atypischerweise ein Absehen von der Regelwirkung rechtfertigt ist (Anschluss an BGHSt 38, 125 = NZV 1992, 117; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 11.3.2020 - 1 Ss-OWi 72/20).
2. Von einem die Regelwirkung durchbrechenden atypischen Einzelfall ist auszugehen, wenn entweder der Erfolgsunwert erheblich vermindert ist oder nur ein Verstoß von minimalem Handlungsunwert vorliegt.
3. Zu der Frage der erheblichen Verminderung des Erfolgsunwerts und eines minimalen Handlungsunwerts aufgrund eines Augenblicksversagens und des „Mitzieheffekts“
Normenkette
StVG § 25 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
AG Darmstadt (Entscheidung vom 31.08.2021; Aktenzeichen 1470 Js 3173/21) |
Tenor
1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Darmstadt vom 31.08.2021 wird als offensichtlich unbegründet verworfen.
2. Der Betroffene hat die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Das Regierungspräsidium Stadt1 hat mit Bußgeldbescheid vom 10.12.2020 gegen den Betroffenen wegen Missachtung des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage, wobei die Rotphase bereits länger als eine Sekunde andauerte, eine Geldbuße in Höhe von 200 Euro und - verbunden mit einer Anordnung gem. § 25 Abs. 2a StVG - ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.
Auf seinen Einspruch hin hat das Amtsgericht Darmstadt den Betroffenen mit Urteil vom 31.08.2021 wegen fahrlässiger Missachtung eines roten Lichtzeichens, wobei das rote Lichtzeichen schon länger als eine Sekunde andauerte, zu einer Geldbuße von 200 Euro und - verbunden mit einer Anordnung gem. § 25 Abs. 2a StVG - einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am XX.XX.2020 um 13:28 Uhr mit einem Omnibus mit dem amtl. Kennzeichen … die Straße1 in Richtung Stadt2-Stadtteil1 in Stadt2-Stadtteil2:
„Als er auf die Querstraße Straße2 zufuhr, schaltete die Lichtzeichenanlage auf rotes Licht und der Betroffene hielt vor der Lichtzeichenanlage, wobei etliche Fahrzeuge vor ihm standen. Nach einer kurzen, unbestimmten Zeit schaltete die Lichtzeichenanlage 3 Sekunden lag auf gelbes Licht, bevor Rotlicht erschien. Obwohl die Lichtzeichenanlage bereit mindestens 1,1 Sekunden Rotlicht zeigte, überfuhr der Betroffene mit seinem Fahrzeug die Haltelinie und durchfuhr die Kreuzung“.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Sie wendet sich mit der allgemeinen Sachrüge gegen das Urteil, hilfsweise gegen die Anordnung des Fahrverbots im Rechtsfolgenausspruch.
Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main ist der Rechtsbeschwerde entgegengetreten.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Var. 4 OWiG statthaft sowie gem. §§ 46 Abs. 1 OWiG, §§ 341, 344 StPO form- und fristgerecht eingelegt worden. Die nicht innerhalb der Begründungsfrist des § 345 StPO eingegangene Begründungsschrift ist als zulässige Erläuterung der Sachrüge anzusehen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. 2021, § 345 Rn. 10 a.E.).
Das Urteil hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung indes stand. Es lässt durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen im Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch nicht erkennen. Insbesondere hat das Amtsgericht auf der Rechtsfolgenseite mit tragfähiger Begründung ein Fahrverbot gem. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG verhängt.
1. Für die festgestellte Ordnungswidrigkeit ist eine Regelgeldbuße von 200 Euro sowie ein Regelfahrverbot von einem Monat nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 BKatV, Nr. 132.3 BKat vorgesehen. Die Erfüllung dieses Tatbestandes indiziert das Vorliegen eines groben Verstoßes im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 1 StVG, der zugleich ein derart hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr offenbart, dass es regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots bedarf. Dadurch ist die zur Verhängung des Fahrverbots führende grobe Pflichtverletzung in objektiver und subjektiver Hinsicht indiziert.
Entgegen der Ansicht des Rechtsbeschwerdeführers muss daher nicht gesondert geprüft werde, ob ein grober Verstoß im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 1 StVG vorliegt, sondern allein, ob aufgrund der Umstände des Einzelfalles ein Ausnahmefall gegeben ist, der atypischerweise ein Absehen von der Regelwirkung rechtfertigt (vgl. BGHSt38, 125, 130 ff. = NZV 1992, 117, 119; OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.3.2020 - 1 Ss-OWi 72/20, BeckRS 2020, 41395 Tz. 7).
2. Zutreffend ist das Amtsgericht nicht von einem solchen Ausnahmefall ausgegangen.
Die Indizwirkung für einen groben Verstoß im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 1 StVG ist durc...