Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt: Verwirkung des Unterhaltsanspruchs eines minderjährigen Kindes trotz Hemmung der Verjährung bis zum Eintritt der Volljährigkeit
Leitsatz (amtlich)
Der Umstand, dass die Verjährung der Unterhaltsansprüche eines minderjährigen Kindes gegenüber seinen Eltern bis zur Volljährigkeit des Kindes gehemmt ist, steht der Annahme einer Verwirkung nicht entgegen, wenn aus besonderen Gründen die Vorraussetzungen sowohl des Zeit- als auch des Umstandsmoments erfüllt sind.
Normenkette
BGB § 207 Abs. 1, §§ 242, 1613 Abs. 3; ZPO § 654
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 18.10.2005; Aktenzeichen 35 F 7243/05) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Dem Antragsteller wird für die Klage vom 22.7.2005 Prozesskostenhilfe bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt X. zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts beigeordnet.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§§ 1, 3 GKG i.V.m. KV Nr. 1811, § 127 Abs. 4 ZPO).
Gründe
Die hinreiche Erfolgsaussicht der Klage kann nicht verneint werden. Im Verfahren nach § 654 ZPO ist - was das AG auch nicht verkennt - der Einwand der Verwirkung zu prüfen, vergleiche dazu BGH MDR 2003, 994; OLG Jena NJW-RR 2002, 1154; OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1262). Der BGH hat dargelegt, dass auch Unterhaltsansprüche Minderjähriger der Verwirkung unterliegen können. Der Umstand, dass die Verjährung der Unterhaltsansprüche eines minderjährigen Kindes gegenüber seinen Eltern bis zur Volljährigkeit des Kindes gehemmt ist, steht der Annahme einer Verwirkung nicht entgegen, wenn aus besonderen Gründen die Vorraussetzungen sowohl des Zeit- als auch des Umstandsmoments erfüllt sind (BGH v. 16.6.1999 - XII ZA 3/99, FamRZ 1999, 1422 unter Hinweis auf BGH v. 13.1.1988 - IVb ZR 7/87, MDR 1988, 481 = FamRZ 1988, 370 ff.). In der Entscheidung des BGH vom 13.1.1988 (BGH v. 13.1.1988 - IVb ZR 7/87, MDR 1988, 481 = FamRZ 1988, 370 ff.; s. auch BGH v. 23.10.2002 - XII ZR 266/99, MDR 2003, 86 = BGHReport 2003, 11 m. Anm. Borth = FamRZ 2002, 1698; FamRZ 2004, 531) ist ausgeführt, nach § 1613 BGB könne Unterhalt für die Vergangenheit nur ausnahmsweise gefordert werden. Von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewiesen sei, könne eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen erwartet werden, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung des Anspruchs bemühe. Tue er dies nicht, erwecke er in der Regel den Eindruck, er sei in dem fraglichen Zeitraum nicht bedürftig, zumal seine wirtschaftlichen Verhältnisse dem Unterhaltsschuldner meist nicht genau bekannt seien, und Unterhaltsrückstände könnten zu einer erdrückenden Schuldenlast anwachsen, die auch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten für den laufenden Unterhalt beeinträchtigen könne. Schließlich seien im Unterhaltsprozess die für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Einkommensverhältnisse nach längerer Zeit oft nur schwer aufklärbar. Die angeführten Gründe seien so gewichtig, dass das Zeitmoment bereits dann erfüllt sein könne, wenn die Rückstände Zeitabschnitte beträfen, die etwas mehr als ein Jahr zurücklägen. Sei der Unterhaltsberechtigte durch besondere Umstände, insb. durch solche im Verantwortungsbereich des Schuldners, an einer zeitnahen Geltendmachung seines Rechts gehindert, sei das Zeitmoment diesen anzupassen. Zum Umstandsmoment, das heißt dem Hinzutreten besonderer Umstände auf Grund deren der Unterhaltsverpflichtete sich darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass der Unterhaltsberechtigte sein Recht nicht mehr geltend machen werde, hat der BGH u.a. ausgeführt, ein Unterhaltsverpflichteter pflege seine Lebensführung an die ihm zur Verfügung stehenden Einkünfte anzupassen, so dass er bei unerwarteten Unterhaltsnachforderungen nicht auf Ersparnisse zurückgreifen könne und dadurch regelmäßig in Bedrängnis gerate. Besonderer Feststellungen, dass er sich tatsächlich auf den Fortfall der Unterhaltsforderung eingerichtet habe, bedürfe es daher nicht. Danach kommt auf Grund der neueren Entscheidungen des BGH eine Verwirkung für zurückliegende Unterhaltsansprüche jedenfalls in Betracht (vergleiche aber auch BGH v. 20.5.1981 - IVb ZR 570/80, FamRZ 1981, 763, wonach der Rechtsbehelf der Verwirkung im Bereich der Anwendung von § 1615i BGB alte Fassung - jetzt § 1613 Abs. 3 BGB - besonderer Zurückhaltung unterliegt und im Wesentlichen nur insoweit zur Anwendung gelangen soll, als die in Frage kommenden Belastungen und Beeinträchtigungen des Unterhaltsschuldners außerhalb dessen Regelungsbereich liegen; vergleiche ferner OLG Brandenburg v. 16.3.2000 - 9 UF 196/99, OLGReport Brandenburg 2000, 171 = FamRZ 2000, 1044; OLG Jena NJW-RR 2002, 1154; OLG Köln FamRZ 2000, 1434; OLG Düsseldorf FamRZ 1989, 776).
Der Antragsteller hatte zwar Kenntnis von der möglichen Vaterschaft. Dabei ist allerdings unklar, ob er 1998 Zweifel an seiner Vaterschaft äußerte. Von Seiten der Antragsgegnerin ist seit 1998 nicht mehr an ihn...