Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 23.05.1986; Aktenzeichen 2/17 S 18/86)

AG Königstein (Aktenzeichen 23 C 350/85)

 

Tenor

Wohnraummietrecht im Sinne von § 564 b BGB findet nicht schon deshalb Anwendung, weil sämtliche Mitglieder eines Vereins in einem von diesem – dem ausschließlichen Vereinszweck entsprechend – gemieteten Wohnhaus wohnen.

 

Gründe

Durch Mietvertrag von 16.12.1970 hat der klagende Verein von dem Rechtsvorgänger der Beklagten ab 1.1.1971 das Haus … in … mit Ausnahme einer abgeschlossenen Wohnung zur „Unterbringung männlicher oder weiblicher, in- oder ausländischer Mitarbeiter” gemietet. In den gemieteten Räumen wohnen lediglich Vereinsmitglieder, weitere, nicht im Hause wohnende Mitglieder hat der Verein nicht. Der Verein wurde im Januar 1970 gegründet. Der Zweck des Vereins ist in § 3 der Satzung wie folgt bestimmt:

  1. Zweck des Vereins ist der Erwerb und die Anmietung von Wohnräumen und ihre Untervermietung an Studenten, die Mitglieder des Vereines sind. Der Verein gibt seinen Mitgliedern dadurch, daß er ihnen die Möglichkeit bietet, in gemeinschaftlichen Wohnheimen zusammenzuleben und zu arbeiten, die Voraussetzung dafür, an der pfadfinderischen, musischen und politischen Bildungstätigkeit des … mitzuwirken.
  2. Ein aus den Mieteinnahmen des Vereins erzielter Überschuß darf nur unmittelbar für die Zwecke des Vereins verwandt werden. Ein wirtschaftlicher Zweck wird nicht verfolgt.

Diese Bestimmung hat am 22.3.1985 folgenden Wortlaut erhalten:

  1. Zweck des Vereins ist der Erwerb und die Anmietung von Wohnräumen und ihre Selbstverwaltung durch die Mitarbeiter des Vereins. Der Verein gibt seinen Mitgliedern dadurch, daß er ihnen die Möglichkeit bietet, in gemeinschaftlichen Wohnheimen zusammenzuleben und zu arbeiten, die Voraussetzung dafür, an der pfadfinderischen, musischen und politischen Bildungstätigkeit des … mitzuwirken.
  2. Die Nutzungsgebühren, die der Verein erhebt, dienen der Kostendeckung und dürfen nur unmittelbar für die Zwecke des Vereins verwandt werden. Ein Wirtschaftlicher Zweck wird nicht verfolgt.

Die Mitgliedschaft im Verein erlischt unter anderem durch Ausschluß dann, wenn das Mitglied durch sein Verhalten die Wohngemeinschaft beeinträchtigt, den Bestand oder die Tätigkeit des Vereins gefährdet oder mit dem Beitrag mehr als 6 Monate in Verzug ist. Dem jeweiligen Vereinsmitglied überläßt der Verein einen bestimmten Raum zur Eigennutzung und Gemeinschaftsräume zur anteiligen Nutzung. Zur Deckung der Unkosten erhebt er eine Nutzungsgebühr. In der sogenannten Nutzungsüberlassung heißt es weiter:

Der Verein teilt mit, daß die Grundlage der Nutzung das einvernehmliche Zusammenleben aller Mitarbeiter im Haus ist. Das Zusammenleben wird durch die Hausversammlung geregelt. Die Beschlüsse der Hausversammlung sind für die Mitarbeiter im Haus verbindlich.

Sollten die im Haus wohnenden Mitarbeiter auf einer Hausversammlung zur Auffassung gelangen, daß ein Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin ausziehen soll, so ist er/sie mit der Unterzeichnung der vorliegenden Nutzungsüberlassung innerhalb der von der Hausversammlung beschlossenen Frist dazu verpflichtet, der Aufforderung nachzukommen. Handelt der Mitarbeiter/Mitarbeiterin dem Beschluß der Hausversammlung zuwider, kann der Verein seine/ihre sofortige Räumung veranlassen.

Die Beklagte hat das Mietverhältnis zum 31.12.1985 gekündigt, das Amtsgericht hat der von ihr erhobenen Räumungsklage stattgegeben. Es ist der Ansicht, daß Wohnraummietrecht deshalb nicht zur Anwendung komme, weil die Räume den Wohn zweck nicht des Vereins, sondern dritter Personen diene.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Er ist der Ansicht, daß Wohnraummietrecht anzuwenden sei, weil ausschließlicher Zweck des Vereins die Anmietung der von der Beklagten gemieteten Räume für sämtliche Vereinsmitglieder sei.

Das Landgericht betrachtet den Kläger als eine Wohngemeinschaft in Vereinsform und meint, das vorliegende Mietverhältnis müsse deshalb dem Wohnraummietrecht unterliegen. Mieter des Hauses sei zwar eine juristische Person, die als solche nicht „wohnen” könne. Der Sache nach habe aber eine bestimmte, fest umrissene Gruppe von natürlichen Personen das Haus zum gemeinsamen Wohnen gemietet. Der Zusammenschluß dieser Personen sei einzig zu dem Zweck erfolgt, das Haus zu mieten und nur zum eigenen Gebrauch in Besitz zu nehmen. Daran änderten die mißverständlichen Ausdrücke „Untermiete” und „Mitarbeiter” in der ersten Satzung und der „Nutzungsüberlassung” nichts. Inhaltlich unterschieden sich damit das Anmieten und Bewohnen des Hauses nicht von dem entsprechenden Verhalten einer Wohngemeinschaft, die in der Form einer BGB-Gesellschaft ein Haus mietet. Die Kammer halte es nicht für gerechtfertigt, die Rechtsstellung der Bewohner davon abhängig zu machen, ob sie sich schuldrechtlich oder vereinsrechtlich zusammengeschlossen haben, sofern Identität zwischen Mitgliedern und Bewohnern besteht, was vorliegend der Fall sei.

Der Rechtsfrage, ob diese Ansicht zutreffe, m...

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