Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Begriff der "Fluguntauglichkeit" in einer privaten Krankentagegeldversicherung
Leitsatz (amtlich)
Stellt eine private Krankentagegeldversicherung die "Fluguntauglicheit" der "Arbeitsunfähigkeit" gleich, ist Krankentagegeld auch während der Dauer eines verpflichtenden behördlichen Prüfungsverfahrens bis zu dem Tag zu zahlen, an dem das Luftfahrtbundesamt die positive Feststellung der wiedererlangten Flugtauglichkeit trifft (entgegen OLG Köln, Urteil vom 17.12.2019 - 9 U 195/18).
Normenkette
VVG §§ 1, 192 Abs. 5
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 06.04.2020; Aktenzeichen 2-30 O 288/19) |
Tenor
uf die Berufung der Beklagten wird das am 06.04.2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 30. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (Az. 2/30 O 288/19) unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.952,91 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 22.12.2017 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.100,51 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte 76 % und der Kläger 24 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zur Vollstreckung gebrachten Betrages leistet. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zur Vollstreckung gebrachten Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger, von Beruf Flugkapitän bei der A AG, macht weitere bedingungsgemäße Leistungen in Form von Krankentagegeld aus einer bei der Beklagten unterhaltenen Krankentagegeldversicherung für den Zeitraum 25.10.2017 bis 15.12.2017 geltend.
Zwischen den Parteien besteht eine private Krankentagegeldversicherung. Ausweislich des Nachtrags zum Versicherungsschein, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, war ein Krankentagegeld pro Tag in Höhe von 434,69 Euro vereinbart. Das Krankentagegeld war bei bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit zu zahlen.
Mitvereinbart waren außerdem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und Tarifbedingungen 2009, auf deren Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird. In § 1 Teil II Abs. 3 MB/KT war vereinbart, dass bei fliegendem Personal (Piloten, Kabine) die Fluguntauglichkeit gleichbedeutend mit Arbeitsunfähigkeit sein sollte. Über die Auslegung dieser Klausel streiten die Parteien.
Der Kläger erkrankte im Januar 2017 an einer Beinvenenthrombose und war deswegen und wegen der dreimonatigen notwendigen Therapie mit NOAK, die auf sechs Monate ausgedehnt wurde, ab dem 23.01.2017 arbeitsunfähig.
Die Beklagte leistete ausweislich ihrer Abrechnung vom 07.09.2017 für den Zeitraum ab Ablauf der Karenzzeit bis einschließlich zum 25.10.2017 Krankentagegeld in Höhe von 22.193,28 Euro.
Der Kläger legte der Beklagten ein von dem Fliegerarzt C ausgefülltes Formular der Beklagten vom 24.11.2017 vor, aus dem sich ergab, dass an diesem Tag eine Untersuchung stattgefunden und sich ergeben habe, dass der Kläger weiterhin bis zum 15.12.2017 arbeitsunfähig sei. Zur Frage, ab wann wieder Arbeitsfähigkeit bestehe, gab C an, dass dies unklar sei, möglicherweise ab Dezember. Im Übrigen wies er darauf hin, dass die Prüfung (der Flugtauglichkeit) bei dem Luftfahrtbundesamt (im Weiteren: LBA) liege. Entsprechend nahm C eine Verweisung der Angelegenheit zur Entscheidung über die Flugtauglichkeit an das LBA vor.
Das LBA, das die Flugtauglichkeit nach der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 als Genehmigungsbehörde zu beurteilen hatte, stellte durch die medizinische Sachverständige D am 04.12.2017 fest, dass der Kläger flugtauglich nach der Klasse 1 mit Einschränkungen sei, und setzte die Gültigkeitsdauer des Tauglichkeitszeugnisses auf sechs Monate fest.
Die Beklagte erbrachte keine über den 25.10.2017 hinausgehenden Zahlungen, da ihrer Auffassung nach aus medizinischer Sicht keine Arbeitsunfähigkeit mehr vorlag. Sie hielt eine über diesen Zeitpunkt hinausgehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers für nicht nachvollziehbar. Der Kläger widersprach der Leistungseinstellung und behauptete, er sei über den 25.10.2017 hinaus bis zum 15.12.2017 arbeitsunfähig gewesen. Die Beklagte blieb jedoch bei ihrer Leistungseinstellung.
Der Kläger ist der Auffassung gewesen, ihm stehe das mit der Klage geltend gemachte weitere Krankentagegeld zu. Allein entscheidend sei, dass er ohne eine entsprechende Genehmigung des LBA nicht mehr im Flugdienst habe tätig werden dürfen, da in den Bedingungen die Fluguntauglichkeit d...