Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 27.08.2009; Aktenzeichen 2/14 O 240/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27.08.2009 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (2-14 O 240/06) abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 250.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2006 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle zukünftigen immateriellen sowie vergangene und zukünftige materielle Schäden zu ersetzen, die ihr aus der fehlerhaften ärztlichen Behandlung der Mutter während der Schwangerschaft entstanden sind und in Zukunft entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht infolge sachlicher und zeitlicher Konkurrenz auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Berufung wird im Übrigen zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 3/10 und der Beklagte 7/10.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Zwangsvollstreckung des Gegners durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gegner vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für beide Instanzen beträgt 500.000 Euro.
Tatbestand
I.
Die am 20.12.1996 geborene Klägerin nimmt den Beklagten als Gynäkologen ihrer Mutter auf Schmerzensgeld (mindestens 400.000,– EUR) und Feststellung zukünftiger immaterieller sowie aller materieller Schäden in Anspruch, die sie durch ihre Frühgeburt erlitten hat.
Die Mutter der Klägerin wurde während ihrer Schwangerschaft ab dem 13.08.1996 (7. + 1 SSW) vom Beklagten betreut. Dieser diagnostizierte am 16.09.1996 eine unauffällige Schwangerschaft. Am 09.12.1996 (24. SSW) stellte der Beklagte fest, dass der Muttermund fingerdurchgängig war. Des weiteren fand er die Portio auf 0,5 cm und die Cervixlänge auf 1,1 cm verkürzt vor. Er verordnete Magnesium und veranlasste die Wiedervorstellung der Schwangeren in einer Woche. Am 17.12.1996 stellte der Beklagte der Schwangeren eine Überweisung an das Klinikum B. aus. Die Überweisung erfolgte unter den Diagnosen Cervixinsuffizienz und Verdacht auf Hydramnion. Am 19.12.1996 wurde die Klägerin aufgrund vaginaler Blutungen mit starken Schmerzen in die Städtischen Kliniken F., ein Zentrum der Maximalversorgung, eingeliefert. Der Muttermund war vollständig geöffnet. Die Schwangere erhielt sofort – 20,5 Stunden vor der Geburt – hochdosierte wehenhemmende Medikamente (Tokolyse), und es wurde eine Lungenreifungstherapie mit Kortikoiden eingeleitet. Am 20.12.1996 wurde die Klägerin in der 25. Schwangerschaftswoche mit einem Gewicht von weniger als 1.000 g extrem unreif geboren. Sie musste intubiert und bis zum 23.05.1997 in der Kinderklinik behandelt werden. Die Radialer diagnostizierten u.a. ein Atemnotsyndrom III. und eine Hirnblutung IV.
Die heute 14 ½ Jahre alte Klägerin ist mehrfach behindert. Sie leidet unter Partialepilepsie, wobei aktuell keine epileptische Symptomatik besteht, ataktischer Cerebralparese, schwerer rechtskonvexer Skoliose, Kontrakturen der Hüfte und endgradiger Beugekontraktur Sprunggelenke/Hüfte beidseits, deutlicher Visuseinschränkung, Gesichtsfeldeinschränkung rechts, Ataxie, schwerer Wahrnehmungsverarbeitungsstörung sowie mentaler Retardierung im Sinne einer geistigen Behinderung. Die Klägerin ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Bewegungen aus oder in den Rollstuhl sind nur mit Hilfen möglich. Sie bedarf in allen Lebenslagen der Hilfe oder der Aufsicht. Die Klägerin besucht eine Schule für Körperbehinderte. Ihr ist kein Lesen und Schreiben möglich, Rechnen nur im Zahlenraum bis 10 und ihr Sprechen ist deutlicher verlangsamt. Eine Teilnahme am sozialen Leben ist der Klägerin unmöglich. Der Gesundheitsschaden befindet sich nach wie vor in der Entwicklung.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Frühgeburt und ihre darauf beruhenden Gesundheitsschäden hätten bei sachgerechter Behandlung ihrer Mutter durch den Beklagten vermieden werden können. Der Beklagte habe schon am 09.12.1996 zur Diagnose einer drohenden Frühgeburt gelangen und die Schwangere in ein Perinatalzentrum einweisen, zumindest aber Bettruhe und wehenhemmende Medikamente verordnen müssen.
Die Parteien haben die im Urteil des Landgerichts wiedergegebenen Anträge gestellt.
Der Beklagte hat seine Behandlungsmaßnahme am 09.12.1996 als ausreichend dargestellt. Es habe kein besorgniserregender Befund vorgelegen. Im Übrigen hat er die Kausalität zwischen einer etwaigen Pflichtverletzung und der Frühgeburt sowie den daraus resultierenden Behinderungen der Klägerin in Abrede gestellt. Schließlich hat er die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat nach eingehender sachverständiger Beratung des Gynäkologen Prof. Dr. S. die K...