Entscheidungsstichwort (Thema)

Vernichtungs- und Rückrufanspruch nach Ablauf des Patents

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Erzeugnis, das während des Wirkungszeitraums eines Patents schutzrechtsverletzend hergestellt oder in den Verkehr gebracht worden ist, kann nach Ablauf des Patents jedenfalls dann nicht mehr Gegenstand eines Vernichtungs- oder Rückrufanspruchs sein, wenn es sich um eine aus mehreren Teilen bestehende Vorrichtung handelt, und wenn diese Teile auch während des Wirkungszeitraums des Patents nach Zerlegung der Vorrichtung zu anderen, nicht patentverletzenden Zwecken hätten weiterverwendet werden können.

 

Normenkette

PatG § 140a

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 30.11.2011; Aktenzeichen 2-6 O 498/10)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30.11.2011 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Frankfurt a.M. teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung insgesamt wie folgt neu gefasst:

I. Hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs gemäß Ziff. I.1. des Tenors des angefochtenen Urteils wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die nachfolgend bezeichneten Handlungen, nämlich

(Von der Darstellung wird abgesehen - die Red.).

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu unter II.1. bezeichneten, in der Zeit vom 24.11.2010 bis 15.01.2013 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Klägerin 28 % und die Beklagte 72 % zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 10 % und die Beklagte 90 % zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,- EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 400.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO). Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihre Klageabweisungsbegehren weiter. Nach Ablauf des Klagepatents am 15.1.2013 hat die Klägerin den Unterlassungsantrag in der Hauptsache für erledigt erklärt und die Rechnungslegungs- und Schadensersatzfeststellungsanträge auf die Zeit bis zum 15.1.2013 begrenzt. Die Beklagte hat der Teilerledigungserklärung widersprochen. Die Klägerin verfolgt die Klageansprüche nunmehr in der aus den nachfolgend wiedergegebenen Klageanträgen ersichtlichen Form weiter.

Im Berufungsverfahren ist unstreitig geworden, dass der angegriffene Legekopf im Jahre 2006 von der Beklagten an die Stahlwerke Stadt1 geliefert worden ist.

Das Berufungsverfahren ist jeweils mit Zustimmung der Parteien zunächst bis zur Entscheidung des Bundespatentgerichts über die gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage (Urteil vom 25.6.2013 - 4 Ni 26/11 (EP); Bl. 1291 ff. d.A.) und sodann bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die hiergegen von der Beklagten eingelegte Berufung (Urteil vom 8.12.2015 - X ZR 132/13; Bl. 1510 ff. d.A.) ausgesetzt worden.

Im Berufungsverfahren hat die Beklagte zunächst ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Zusätzlich hat sie sich auf ein betriebliches Vorbenutzungsrecht berufen und die Auffassung vertreten, die Klage sei hinsichtlich der nur noch ab dem 24.11.2010 geltend gemachten Folgeansprüche schon deswegen abzuweisen, weil die Klägerin keine Verletzungshandlung während dieses Zeitraums vorgetragen habe.

Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8.12.2015 ist sie der Auffassung, die darin vorgenommene Auslegung des Patentanspruchs 1 sei unzutreffend und für das Verletzungsverfahren nicht bindend. Bei richtiger Auslegung des Patentanspruchs 1 mache die angegriffene Ausführungsform von dessen Merkmalen keinen Gebrauch. Das Merkmal 4.2.1.1 der vom Bundesgerichtshof erstellten Merkmalsanalyse verlange - wie sich aus der Beschreibung ergebe - eine leichte Abnehmbarkeit des Troges vom Träger, die bei der von der Beklagten gelieferten Anlage nicht gegeben sei. Weiter erfordere der Begriff "Trog (50)" im Merkmal 4.2.1 - da das Bezugszeichen "50" auf einen gesamten Komplex bzw. eine Baugruppe verweise - Mittel, mit denen ein zuverlässiges Zentrieren und Stabilisieren der Hilfsführung am Legekopf erreicht werde; solche Mittel weise die angegriffene Ausführungsform nicht auf. Weiter bestreitet die Beklagte, dass die in erster Instanz von der Klägerin mit Schriftsatz vom 25...

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