Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage der Einordnung eines Zins-Swap-Vertrages als Finanzierungsberatungsvertrag sowie zum Umfang der daraus resultierenden Beratungspflichten
Leitsatz (amtlich)
1. Ein mit der Zielsetzung geschlossener Vertrag, ein variabel verzinsliches Darlehen zum Zwecke einer dauerhaften Zinssicherung mittels des Abschlusses eines Zins-Swap-Geschäftes in ein synthetisches Festzinsdarlehen umzuwandeln, ist als Finanzierungsberatungsvertrag zu qualifizieren.
2. Die Veränderlichkeit des mit dem Zins-Swap-Geschäft verbundenen Festzinses, bedingt durch Veränderungen des Referenzzinssatzes, und der damit verbundene Umstand, dass eine mögliche Kündigung der Komponenten des Festzinsdarlehens wegen der Verpflichtung zur Entrichtung eines Ausgleichbetrages wirtschaftlich uninteressant sein kann, stellt nach dem Rechtsgedanken des § 489 Abs. 4 BGB keine unzulässige Kündigungserschwerung dar.
Normenkette
BGB §§ 195, 199 Abs. 1, §§ 249, 280 Abs. 1, 3, §§ 281, 489 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 18.02.2020; Aktenzeichen 2-21 O 170/19) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 18. Februar 2020 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main - 2-21 O 170/19 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage insgesamt als unbegründet abgewiesen wird.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin wendet sich mit der Berufung gegen die Abweisung ihrer Klage, mit der sie die Beklagte auf Schadensersatz wegen vorgeblicher Beratungsfehler in Anspruch genommen hat.
Die Beklagte ist seit dem Jahr 2016 Rechtsnachfolgerin der Bank1 AG (nachfolgend: "Bank1").
Im Jahr 2006 trat die Klägerin an die Bank2 eG wegen der Finanzierung des Neubaus eines Ärztehauses mit einem Finanzierungsvolumen in Höhe von 9 Mio. EUR heran. Dabei war die Klägerin an einer langfristigen Zinsbindung - möglichst über die gesamte Darlehenslaufzeit -, an günstigen Zinsen und einer kalkulierbaren Finanzierung interessiert. Die Bank2 eG, die, wie die Bank1, seinerzeit keine Festzinsdarlehen mit einer Zinsbindung von über zehn Jahren anbot, wies die Klägerin mit Schreiben vom 16. November 2006 unter Bezugnahme auf ein Schreiben der Bank1 vom 14. November 2006 darauf hin, dass über die "klassische langfristigen Zinsbindung von zehn Jahren" hinaus eine längerfristige Bindung bis zu 20 Jahren über ein Swapgeschäft möglich sei.
Am 26. April 2007 schloss der Geschäftsführer der Klägerin A für ein anderes Unternehmen einen strukturidentischen Zins-Swap bei der Bank1 ab.
Im Rahmen eines am 26. Juni 2007 zwischen Beratern der Bank1 und der Bank2 eG einerseits und dem Geschäftsführer der Klägerin A andererseits geführten Gesprächs hielt die Mitarbeiterin der Bank1 C dem Geschäftsführer der Klägerin die als Anlage K2 (Anlagenband Klägerin) vorgelegte Präsentation, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Eine ausdrückliche Aufklärung darüber, dass der vorgestellte Swap über einen anfänglich negativen Marktwert verfügte, erfolgte in diesem Beratungsgespräch nicht. Nach diesem Gespräch schlossen die Parteien einen auf den 25. Juni 2007 datierenden Rahmenvertrag, wegen dessen Inhalt auf die Kopie (Anlage K1, Anlagenband Klägerin) Bezug genommen wird.
Am 21./24. August 2007 schloss die Bank2 eG mit der Klägerin einen Darlehensvertrag über EUR 9 Mio. mit einer Laufzeit von max. 25 Jahren und einem variablen Zins auf Basis des Dreimonats-Euribors zuzüglich einer festen Kreditmarge von 0,9 % p.a. (Anlage K3, Anlagenband Klägerin).
Am 16. Oktober 2008 schlossen die Parteien telefonisch einen Zins-Swap-Vertrag, dessen schriftliche Bestätigung der Bank1 vom selben Tage die Klägerin durch Unterzeichnung rückbestätigte; zu den Einzelheiten wird auf die Bestätigung vom 16. Oktober 2008 (Anlage K4, Anlagenband Klägerin) Bezug genommen.
In der Folgezeit fiel der für den Swap-Vertrag als Referenzzins dienende Drei-Monats-Euribor mit der Folge, dass der Swap einen negativen Marktwert aufwies und die Klägerin unter dem Zins-Swap-Vertrag im Saldo Zahlungen an die Bank1 und die Beklagte leisten musste.
Bei Klageerhebung betrug der negative Marktwert des Swaps ca. EUR 2.100.000,00.
Die Klägerin ließ mit anwaltlichem Schreiben vom 4. Dezember 2017 die Bank2 eG und vom 8. Dezember 2017 die Beklagte zum Schadensersatz auffordern.
Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgebracht, der Swap hätte der Klägerin als sehr konservativer Anlegerin ohne Erfahrung mit Swap-Geschäften nicht empfohlen werden dürfen. Eine eigene "Zinsmeinung" hab...