Verfahrensgang

LG Fulda (Urteil vom 19.11.2014; Aktenzeichen 2 O 315/14)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 19.11.2014 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Fulda (2 O 315/14) wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das vorliegende Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von einer Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie von der Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, weil die Revision nicht zugelassen wurde und ein Rechtsmittel gegen das Urteil deshalb bei einer Beschwer der Parteien von jeweils nicht über 20.000 Euro unzweifelhaft nicht zulässig ist (§ 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO, § 544 ZPO).

II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das angegriffene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO.

1. Die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgenommene Umstellung seines erstinstanzlichen Freistellungsantrags in einen Zahlungsantrag ist gemäß § 264 Nr. 1 ZPO zulässig (vgl. Vorwerk/Wolf/Bacher, ZPO, Stand 1.1.2015, § 264 Rn. 5, 5.1).

2. Dem Kläger steht jedoch wegen der Beschädigung der Sandsteinmauer des Anwesens ... in O1 in der Nacht vom ... auf den ... 2013 kein Zahlungsanspruch in Höhe von 8.823,49 Euro gegen die beklagte Versicherung zu. Die Beklagte ist gemäß E.6.1 AKB 2008, § 31 VVG i.V. mit E.1.3 AKB 2008, § 28 Abs. 2 VVG von der Leistung aus der mit dem Kläger geschlossenen Kaskoversicherung frei, weil dieser seine Aufklärungsobliegenheiten vorsätzlich verletzt hat.

a. aa. Gemäß E.1.3 Satz 2 AKB 2008 darf der Versicherungsnehmer den Unfallort nicht verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen (vgl. Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 16.10.2014, 7 U 121/14, BeckRS 2014, 22178, Rn. 22 ff.). Diese dem Versicherungsvertrag der Parteien zugrundeliegende Allgemeine Versicherungsbedingung ist so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (vgl. ebenda). Nach dem eindeutigen Wortlaut von E.1.3 Satz 2 AKB 2008 ist der Versicherungsnehmer gehalten, nach dem Eintritt des Versicherungsfalles an der UnfallsteIle zu bleiben, bis die Polizei oder der Geschädigte eintreffen und die erforderlichen Feststellungen zum Unfallhergang und der Beteiligung des Versicherungsnehmers getroffen wurden; dabei kommt es nicht darauf an, ob der Versicherungsnehmer den Straftatbestand des unerlaubten Entfemens vom Unfallort (§ 142 StGB) erfüllt (vgl. ebenda).

bb. Seiner Obliegenheit, nach dem streitgegenständlichen Vorfall an der UnfallsteIle zu bleiben, bis die Polizei oder der Geschädigte eintreffen und die erforderlichen Feststellungen zum Unfallhergang und der Beteiligung des Versicherungsnehmers getroffen wurden, hat Kläger schon nach seinem eigenen Vortrag nicht genügt. Denn er trägt selbst vor, dass er, nachdem er mit seinem Pkw die Sandsteinmauer gestreift hatte, den Unfallort verließ, ohne den Geschädigten oder die Polizei zu verständigen oder eine Wartezeit einzuhalten.

Dass es dem Kläger möglich und zumutbar gewesen wäre, den Geschädigten oder die Polizei zu verständigen oder eine Wartezeit einzuhalten, hat das LG zu Recht angenommen; insoweit kann auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils verwiesen werden.

cc. Der Kläger hat hinsichtlich der Verletzung der Aufklärungsobliegenheit auch vorsätzlich im Sinne von E.6.1 AKB 2008 i.V.m. § 28 Abs. 2 VVG gehandelt.

Ein solcher Vorsatz ist anzunehmen, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheitsverletzung für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Für das Bewusstsein der Obliegenheitswidrigkeit genügt es, dass er kraft "Parallelwertung in der Laiensphäre" die Merkmale der Obliegenheit im Kern kennt (vgl. Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 16.10.2014, 7 U 121/14, BeckRS 2014, 22178, Rn. 42 ff.).

Der Kläger wusste, dass er mit seinem Fahrzeug die Sandsteinmauer gestreift und beschädigt hatte. Dass man nach einem solchen Unfall die UnfallsteIle nicht verlassen darf, ist jedem Kraftfahrer bekannt (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 1.12.1999, NJW-RR 2000, S. 553, 554). Wenn der Kläger gleichwohl die UnfallsteIle verließ, verstieß er bewusst gegen seine Warteobliegenheit. Das vom Kläger insoweit angegebene Motiv, er habe in der Nacht niemanden belästigen oder gar wecken wollen, steht dem nicht entgegen. Entscheidend ist, dass der Kläger hierbei eine Verletzung seiner Warteobliegenheit bewusst in Kauf genommen hat.

dd. Da der Kläger seine Aufklärungsobliegenheit bereits in dem Zeitpunkt v...

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