Entscheidungsstichwort (Thema)

Unlautere Nachahmung von Stoffklammern zur Herstellung von Nähartikeln (Magic Clips)

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der wettbewerblichen Eigenart von sog. Stoffklammern zur Herstellung von Nähartikeln, des von diesem Produkt angesprochenen Verkehrs und zur Herkunftstäuschung bei einer nahezu identischen Kopie

 

Normenkette

UWG §§ 3, 4 Nr. 3a

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 11.11.2020; Aktenzeichen 2-06 O 90/20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 11.11.2020 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert.

I. Die Beklagte wird verurteilt, es - bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr in Deutschland Stoffklammern wie nachstehend wiedergegen (auch in anderen Farben):

((Abbildung))

selbst oder durch Dritte anzubieten, sonst in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin schriftlich Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über den Vertrieb der im Antrag zu I. abgebildeten Stoffklammern, und zwar unter Angabe

a) der von ihr insgesamt bezogenen und von ihr abgesetzten Stückzahlen, aufgeschlüsselt nach Artikeln, den Bezugs- und Liefermonaten sowie Einkaufs- und Verkaufspreisen;

b) des/der Namen(s) und der Adresse(n) ihres oder ihrer Lieferanten und des oder der Hersteller(s) der unter I. abgebildeten Stoffklammern;

c) des Ortes, an dem ihr die unter Ziffer I. abgebildeten Stoffklammern angeboten wurden und des Lieferortes, zu dem diese geliefert wurden;

d) der Namen und Anschriften sämtlicher gewerblicher Abnehmer in der Bundesrepublik Deutschland, die von der Beklagten mit den unter Ziffer I. abgebildeten Stoffklammern beliefert wurden, unter Angabe des Lieferdatums;

e) jeweils unter Vorlage von Lieferscheinen oder Rechnungen als Nachweis.

III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.743,43 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 28.9.2019 zu zahlen.

IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden Schaden zu ersetzen, der dieser aus den oben unter Ziffer I. genannten Verletzungshandlungen jeweils entstanden ist oder noch entstehen wird.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 180.000 EUR abwenden, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz geltend.

Die Klägerin ist eine im Jahre 1991 gegründete, in den USA ansässige Herstellerin von Nähartikeln. Zu ihrem Sortiment gehören auch sogenannte Stoffklammern, die sie unter der Bezeichnung "Magic Clips" anbietet und vertreibt. Stoffklammern ersetzen beim Nähen die herkömmlichen Stecknadeln. Die Magic Clips weisen die Besonderheit auf, dass sie eine flache, metallene Zunge haben, die unter dem Nähfuß einer Nähmaschine hindurchgeht. Entwickelt wurden diese Stoffklammern von dem CEO der Klägerin, Herrn A, der im Februar 2017 ein Patent anmeldete, das mittlerweile eingetragen ist. Die Gesamtkosten für die Entwicklung bis zu Serienreife beliefen sich nach Angaben der Klägerin, die die Beklagte bestritten hat, auf 158.500 US-$.

Der CEO lizenzierte alle ihm an den Magic Clips zustehenden Rechte an die Klägerin exklusiv.

Die Klägerin brachte die Magic Clips zunächst in den USA in Verkehr. In Europa, insbesondere in Deutschland, bietet die Klägerin die Magic Clips über einen exklusiven Vertriebspartner, die Firma C & D GmbH, an. Diese Firma hat im März 2018 damit begonnen, die Magic Clips in Deutschland Wiederverkäufern und Endverbrauchern anzubieten.

Die Beklagte betreibt einen Online-Shop unter der Internetseite www.(...).de, auf dem sie Produkte für den Nähbedarf anbietet. Darunter befinden sich jedenfalls seit August 2019 die streitgegenständlichen Stoffklammern, die unter der Bezeichnung "B" angeboten werden.

Die Stoffklammern sehen aus wie nachfolgend abgebildet (oben jeweils das klägerische Erzeugnis, unten das der Beklagten):

((Abbildung))

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) hat die Klage mangels Vorliegens einer vermeidbaren Herkunftstäuschung abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

A) Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1, §§ 3, 4 Nr. 3a UWG zu.

1. Die Magic Clips der Klägerin weisen wettbewerbliche Eigena...

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