Entscheidungsstichwort (Thema)
Anlegergerechte Beratung bei behaupteter Änderung der Anlagestrategie; keine Hinweispflicht der Bank auf Verkauf von Zertifikaten im Wege des Eigengeschäfts
Leitsatz (amtlich)
1. Die beratende Bank kann aus den bisherigen Kapitalanlagen und der vorhandenen Struktur des Depots des Kunden auf dessen (fortbestehenden) Anlageziele und Risikoneigungen schließen und auf dieser Grundlagen Kapitalanlagen empfehlen, ohne jeweils ein neues Risikoprofil zu erstellen.
2. Eine Notwendigkeit, den Anleger darüber zu informieren, dass der Verkauf des Wertpapiers im Wege des Eigengeschäfts erfolgt, besteht nicht (Anschluss an BGH, Urt. v. 27.9.2011 - XI ZR 182/10).
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 08.07.2011; Aktenzeichen 2-21 O 471/09) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 8.7.2011 verkündete Urteil der 21. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatungen in sechs Fällen betreffend den Erwerb unterschiedlicher Zertifikate im Zeitraum von 2004 bis 2008, wobei die Anlageberatungen in fünf Fällen telefonisch und in einem Falle anlässlich eines Hausbesuchs des Beraters erfolgten. In allen Fällen handelte es sich bei dem Erwerb der Zertifikate um Kaufverträge zwischen den Parteien, denen ein sog. Festpreisgeschäft zugrunde lag. In einigen Fällen verkaufte die Beklagte Eigenprodukte.
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird nach § 540 Abs. 1 ZPO abgesehen. Es wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil.
Das LG hat mit seinem am 8.7.2011 verkündeten und der Klägerin am 12.7.2011 zugestellten Urteil die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Wertpapierkäufe vom 6.7.2004 und vom 27.3.2006 hat das LG angenommen, dass etwaige Ansprüche der Klägerin gem. § 37a WpHG verjährt seien, da die dreijährige Verjährungsfrist bei Eingang der Klageschrift am 27.11.2009 bereits abgelaufen gewesen sei.
Im Übrigen hat das LG eine Verletzung der Pflichten der Beklagten aus den jeweils abgeschlossenen Beratungsverträgen verneint. Auf Grundlage einer Würdigung des Beweisergebnisses hat das LG angenommen, dass die Anlageberatung anlegergerecht gewesen sei, weil die empfohlenen Zertifikate dem bisherigen Anlegerprofil der Klägerin entsprochen hätten und die Klägerin auch nicht bewiesen habe, dass sie dem Anlageberater der Beklagten, dem Zeugen Z1, eine geänderte Anlagestrategie mitgeteilt habe. Die Beratungen seien auch jeweils objektgerecht erfolgt, insbesondere sei der Klägerin die jeweilige Funktionsweise der Zertifikate hinreichend erklärt worden. Aus den vorangegangenen Zertifikatskäufen sei der Klägerin auch klar gewesen, dass Kapitalverluste möglich waren. Auf Grund ihrer Anlageerfahrung und Anlageorientierung habe es auch keiner gesonderten Aufklärung darüber bedurft, dass hinsichtlich dieser Zertifikate eine Einlagesicherung nicht bestehe. Auch sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin über mögliche Vergütungen oder Gewinne der Beklagten aus den Wertpapiergeschäften aufzuklären. Dies gelte insbesondere für die Eigenprodukte der Beklagten. Eine Vernehmung der Klägerin als Partei zu den Anlageberatungsgesprächen hat das LG wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 448 ZPO abgelehnt. Desweitern hat das LG die Auffassung vertreten, dass hinsichtlich der telefonischen Beratungsgespräche ein Widerrufsrecht bereits wegen § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB nicht bestehe und dass es hinsichtlich der Beratung in der Wohnung der Klägerin bereits an einer Haustürsituation fehle weil keine fortwirkende Überraschungssituation vorliege, nachdem die Klägerin die Zeichnung erst nach mehr als einer Woche nach dem Beratungsgespräch vorgenommen habe.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin am 1.8.2011 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 12.10.2011 am letzten Tag der Frist begründet.
Sie vertritt die Auffassung, dass das LG eine Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten rechtsfehlerhaft verneint habe. Bei der Zeichnung der Zertifikate durch die im Jahr 2007 bereits 80-jährige Klägerin auf Grund der Empfehlungen des Zeugen Z1 habe sie die Funktionsweise von Zertifikaten ebenso wenig verstanden wie die Funktionsweise zuvor erworbener Aktien und Zertifikate. Sie habe sich stets einzig und allein auf die Angaben des Zeugen Z1 verlassen. Sie sei insbesondere nicht in der Lage gewesen, die telefonischen Erläuterungen der Produkte durch den Zeugen Z1 zu verstehen. Eine Ordererteilung am Telefon habe nicht ihrem so...