Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen Täuschung Zitierungen: ZfSch 2009, 508-509
Leitsatz (amtlich)
Keine Anfechtung des Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrages bei Nichtanzeige einer Asthma-Erkrankung, die Folge einer angezeigten Erkrankung sein kann.
Normenkette
BGB § 123; VVG § 22
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 09.11.2007; Aktenzeichen 2/23 O 40/07) |
BGH (Aktenzeichen IV ZR 148/09) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main - 23. ZK - vom 9.11.2007 (2/23 O 40/07) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
I. Es wird festgestellt, dass die Risikolebensversicherung der Klägerin zur Versicherungsnummer ... bei der Beklagten entsprechend dem Nachtrag zur Versicherung vom 1.7.2006 fortbesteht,
II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zur Versicherungsnummer ... für die Zeit vom Juni bis Dezember 2006 eine monatliche Rente in Höhe von € 1.048,82 bis Dezember nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 288 BGB) aus dem Gesamtrentenwert in Höhe von € 7.341,74 seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von der Beitragszahlungspflicht für die Lebensversicherung und Berufsunfähigkeitszusatzversicherung Nr. ... für die Zeit vom 1.6. bis zum 31.12.2006 freizustellen,
IV. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von der Zahlung außergerichtlicher Anwaltsgebühren an die Rechtsanwälte Dr. A und Koll. in Höhe von € 1.274,84 freizustellen.
Die Beklagte trägt die Kosten beider Instanzen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Beschwer der Beklagten beträgt € 30.067,--.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten seit 1.7.2003 eine Risikolebensversicherung und eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung in Form der sogenannten Anpassungsversicherung. Im Versicherungsantrag vom 28.5.2003 (Bl. 13 ff d.A.) beantwortete sie Fragen nach Krankheiten in den ersten 5 Jahren bezüglich solcher der Atmungsorgane und Stoffwechsel-Erkrankungen mit "nein", die Frage nach Erkrankungen der Haut (auch Allergien) mit "ja". Verneint wurde die Frage nach regelmäßiger Medikamenteneinnahme in den letzten 5 Jahren sowie die Frage nach Behandlungen in den letzten 5 Jahren. Zu Frage 1.10 gab die Klägerin erläuternd an, sie leide seit Geburt an Neurodermitis und gab als Behandler Herrn B an sowie die Medikamente "F" und "G". Als denjenigen Arzt, der über ihre Gesundheitsverhältnisse am besten Auskunft geben könne, gab sie ihren Hausarzt Dr. C an.
Wegen der angegebenen Neurodermitis-Erkrankung verlangte die Beklagte eine Ausschlussklausel mit dem Inhalt "Neurodermitis einschließlich eintretender Folgen", die auch Vertragsinhalt wurde.
Im Mai 2006 wurde bei der Klägerin eine Brustkrebs-Erkrankung festgestellt. Sie wurde operiert, absolvierte eine Chemotherapie und Bestrahlungen und war vom 1.6. bis 31.12.2006 bedingungsgemäß berufsunfähig.
Nachdem sie Antrag auf entsprechende Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung gestellt hatte, holte die Beklagte Auskünfte ein, aus denen sich ergab, dass die Klägerin ab 1997 von Dr. D wiederholt wegen Eisenmangels und ab 1998 wegen Asthma bronchiale behandelt worden war, beides mit entsprechender Medikamentenverordnung.
Mit Schreiben vom 28.8.2006 (Bl. 11 ff d.A.) erklärte die Beklagte den Rücktritt von Risikolebensversicherung und Berufsunfähigkeitszusatzversicherung und focht beide Verträge wegen arglistiger Täuschung an.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Feststellung des Fortbestandes des Risikolebensversicherungs-Vertrages, Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung für den Zeitraum Juni bis Dezember 2006, Feststellung der Freistellung von der Beitragspflicht für diesen Zeitraum und die Freistellung von außergerichtlichen Anwaltsgebühren.
Sie hat die Auffassung vertreten, keine vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt zu haben. Frage 1.10 sei zutreffend und umfassend beantwortet. Denn Neurodermitis umfasse sämtliche Allergien, auch das sogenannte "allergische Asthma". Dass sie hierunter leide, davon sei sie ausgegangen. Die von Dr. D verordneten Medikamente hätten ebenfalls der Behandlung der Neurodermitis gedient. Ein anzeigepflichtiger Eisenmangel habe nicht vorgelegen, weil es sich um menstruationsbedingte Beschwerden handele.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe sie arglistig getäuscht, weil einige Gesundheitsfragen und die Frage nach dem best informierten Arzt falsch beantwortet gewesen seien. Die verschwiegenen Erkrankungen seien gefahrerheblich und die Beklagte hätte den Antrag bei Kenntnis nicht zu den gewährten Bedingungen ...