Entscheidungsstichwort (Thema)

Behindertenrabatt bei Ersatzbeschaffung für Unfallfahrzeug

 

Leitsatz (amtlich)

Der Schaden für die Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs ist unter Berücksichtigung eines Rabattes zu berechnen, den der Fahrzeughersteller Schwerbehinderten generell gewährt.

 

Normenkette

BGB § 249 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 16.10.2018; Aktenzeichen 4 O 15/18)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 14.07.2020; Aktenzeichen VI ZR 268/19)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 16.10.2018 (Az. 4 O 15/18) im Kostenausspruch abgeändert.

Die Kosten des Rechtsstreits in 1. Instanz haben die Beklagten zu 83 % als Gesamtschuldner zu tragen, die Klägerin trägt 17 %.

Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede der Parteien darf die Zwangsvollstreckung der anderen Seite durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht Ersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 15.11.2017 geltend. Die Beklagte zu 1) fuhr auf das Heck des langsam vor einer roten Ampel ausrollenden Klägerfahrzeugs Marke1 Typ1 so heftig auf, dass das Klägerfahrzeug auf das vor ihm an der roten Ampel bereits zum Stillstand gekommene Fahrzeug aufgeschoben wurde. Die Beklagte zu 2) ist der Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1). Der Unfallhergang und die alleinige Einstandspflicht der Beklagten sind dem Grunde nach unstreitig (Bl. 61).

Die Parteien streiten um die Höhe des entstandenen Schadens.

Das Klägerfahrzeug war zum Unfallzeitpunkt erst eine Woche alt (Zulassung auf die Klägerin XX.11.2017, Laufleistung ... km). Die Klägerin hatte das Fahrzeug am XX.10.2017 für 30.525 EUR neu erworben (Bl. 18). Beim Kauf war ihr ein Rabatt für Menschen mit Behinderung i.H.v. 4.440,15 EUR (entsprechend 15 %) gewährt worden.

Einen solchen Preisvorteil gewährt die Marke1 AG nach ihren Bedingungen unter anderem Kunden mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 % für höchstens 2 Fahrzeuge im laufenden Kalenderjahr, die nach der Lieferung mindestens 6 Monate lang gehalten werden müssen (Verpflichtungserklärung Bl. 47). Der Sondernachlass und der behindertengerechte Umbau von Fahrzeugen werden von Marke1 unter anderem mit der Aussage beworben, das Unternehmen trage dazu bei, den Alltag von Menschen mit Handicap zu erleichtern (Bl. 89, siehe auch https://www.(...).html).

Nach einer von den Beklagten erstinstanzlich nicht mehr bestrittenen Zusammenstellung des ADAC (Stand Mai 2017) gewähren die in Deutschland am Markt tätigen Autohersteller in unterschiedlichem Umfang und unter unterschiedlichen Voraussetzungen beim Neuwagenkauf Rabatte zwischen 0 % und 25 % für Menschen mit Behinderung. Die Preisnachlässe sind demnach teils verhandelbar, teils modellabhängig und lediglich bei der Marke2 AG und der Marke1 AG mit einem festen Prozentsatz bemessen. Auf die Anlage zum Schriftsatz vom 26.9.2018 wird verwiesen (Bl. 109).

Nach dem Unfall nahm die Klägerin eine Ersatzbeschaffung vor. Sie bestellte am 22.11.2017 erneut einen neuen Marke1 (anderes Modell) für sich zum Preis von 30.670 EUR (Bl. 19). Auch bei diesem Kauf wurde ihr wiederum ein Rabatt i.H.v. 15 % für Menschen mit Behinderung gewährt, entsprechend 4.720,50 EUR.

Zwischen den Parteien umstritten ist die Frage, ob der Rabattvorteil zum Schaden gehört und von den Beklagten auszugleichen ist.

Die Beklagten haben teils vor, teils nach Rechtshängigkeit der Klage (Bl. 36) auf den Fahrzeugschaden 17.235,26 EUR gezahlt und die weiteren Schadenspositionen (Sachverständigenkosten, Abschleppkosten und Unfallpauschale) i.H.v. 2.130,34 EUR vollständig reguliert. Auf die vorgerichtlichen Anwaltskosten haben die Beklagten 1.171,67 EUR bezahlt.

Die Klägerin hat daraufhin den Rechtsstreit in Bezug auf den ursprünglichen Klageantrag zu 1) (22.950,34 EUR zuzüglich Zinsen) i.H.v. 19.365,60 EUR und in Bezug auf den Klageantrag zu 2) (1.242,84 EUR) i.H.v. 1.171,67 EUR für erledigt erklärt.

Zugleich hat sie die Klage auf der Basis des Listenpreises des unfallbeschädigten Fahrzeugs (31.865,01 EUR) abzüglich Restwert i.H.v. 9.850 EUR sowie abzüglich der Zahlungen auf den Fahrzeugwert (17.235,26 EUR) um 4.779,75 EUR erweitert.

Die Beklagten haben der Teilerledigungserklärung unter Protest gegen die Kosten zugestimmt (Bl. 60).

Die Klägerin hatte den Schaden mit Schreiben vom 23.11.2017 zur Regulierung bei der Beklagten angemeldet und übersandte am 27.11.2017 das Gutachten des TÜV über den Schaden und die Bestellungen des unfallbeschädigten Fahrzeugs und des Ersatzfahrzeugs und setzte Frist zur Regulierung bis zum 12.12.2017 (Bl. 71). Nachdem die Beklagte nicht reagiert hat...

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