Leitsatz (amtlich)

Rechtsmissbräuchliche Ausübung des Widerrufsrechts trotz fehlerhafter Widerrufsbelehrung zum Darlehensvertrag

 

Normenkette

BGB § 242

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 23.03.2018; Aktenzeichen 2-28 O 160/16)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23.3.2018 wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht gegen die Beklagte nach einem mit Schreiben vom 12.10.2015 erklärten Widerruf seiner Vertragserklärungen zu zwei grundpfandrechtlich besicherten Darlehensverträgen in Schweizer Franken vom Oktober 2004 über 369.630.- EUR und vom August 2007 über 250.000.- EUR Zahlungs- und Feststellungsansprüche geltend.

Hinsichtlich des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, die keiner Änderung oder Ergänzung bedürfen, gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage ganz überwiegend stattgegeben.

Der Kläger sei aktiv legitimiert und könne eine Zahlung des erhobenen Anspruchs an sich verlangen. Zwar seien nach dem Widerruf der Darlehensverträge der Kläger und seine Ehefrau Mitgläubiger im Sinne von § 432 BGB geworden, weil sich die Darlehensverträge durch den Widerruf im Verhältnis zum Kläger und seiner Ehefrau in jeweils einheitliche Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt hätten, woraus eine einfache Forderungsgemeinschaft resultiert habe (BGH, Urteil vom 10.10.2017, XI ZR 449/16 - juris), doch stehe infolge der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Ehefrau des Klägers ihre Ansprüche aus den Rückgewährschuldverhältnissen an den Kläger am 30.3.2016 abgetreten habe, sodass der Kläger nunmehr alleiniger Forderungsinhaber sei. Dies folge zum einen aus der im Original vorgelegten schriftlichen Abtretungsvereinbarung zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau (Bl. 459 d.A.) sowie aus den glaubhaften und nachvollziehbaren Bekundungen der glaubwürdigen Zeugin B. Diese habe klargestellt, dass sie die Gesamtforderung habe abtreten wollen und dass man gewollt habe, dass ihr Ehemann die Ansprüche allein einklagen könne.

Der Kläger habe gegenüber der Beklagten einen Zahlungsanspruch in Höhe von 288.513,46 EUR als Folge des wirksamen Widerrufs der streitgegenständlichen Darlehensverträge, §§ 495 Abs. 1, 355, 357 Abs. 1, 346 BGB a.F.

Unstreitig sei jedenfalls im Namen des Klägers der Widerruf der streitgegenständlichen Verträge mit Schreiben vom 12.10.2015 (Bl. 43f d.A.) erklärt worden. Bei einem Verbraucherdarlehensvertrag stehe entgegen der Auffassung der Beklagten jedem einzelnen Verbraucher die Widerrufsbefugnis zu (BGH, Urteil vom 11.10.2016, XI ZR 482/15 - juris; Urteil vom 10.10.2017, XI ZR 449/16 - juris), weshalb es nicht darauf ankomme, ob auch die Ehefrau des Klägers als Mitdarlehensnehmerin wirksam den Widerruf der Darlehensverträge erklärt habe.

Die Widerrufsfrist sei bei Erklärung des Widerrufs am 12.10.2015 noch nicht abgelaufen gewesen, denn nach § 355 Abs. 2 BGB a.F. habe die zweiwöchige Widerrufsfrist erst mit Erteilung einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung zu laufen begonnen.

Beide streitgegenständlichen Widerrufsbelehrungen seien fehlerhaft, da sie aufgrund des Einschubs "frühestens" unzureichend deutlich über den Beginn der Widerrufsfrist informierten (BGH, Urteil vom 10.10.2017, XI ZR 449/16 - juris). Auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV a.F. könne sich die Beklagte nicht berufen, weil in beiden Fällen die Belehrungen nicht in jeder Hinsicht der jeweiligen Musterbelehrung entsprächen. Dies schon allein durch die Verwendung von Fußnoten in den Widerrufsbelehrungen, die in dem jeweiligen Muster nicht vorgesehen gewesen seien (BGH, Urteil vom 12.7.2016, XI ZR 564/15 - juris). Ferner habe die Beklagte in beiden Verträgen unter der Überschrift "Finanzierte Geschäfte" den Gestaltungshinweis 8 bzw. 9 der jeweiligen Musterbelehrung nicht vollständig umgesetzt.

Entgegen der Ansicht der Beklagten sei der Widerruf des Vertrags aus dem Jahr 2007 auch nicht deshalb unmöglich, weil die Beklagte den Vertrag vor Ausübung des Widerrufsrechts durch den Kläger gekündigt hatte. Denn nach dem Sinn und Zweck des Widerrufsrechts bestehe dieses auch dann noch, wenn der Darlehensvertrag vorzeitig beendet worden sei (BGH, Urteil vom 10.10.2017, XI ZR 449/16 - juris), wobei es keine Rolle spiele, aus welchem Grund es zu der vorzeitigen Beendigung des Vertrags gekommen sei.

Der Ausübung des Widerrufsrechts stehe nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs, § 242 BGB, entgegen. Au...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge