Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle im Anwendungsbereich der Bundesauftragsverwaltung
Leitsatz (amtlich)
Gewährleistungsforderungen aus Bauvorhaben, welche im Anwendungsbereich der Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 GG i.V.m. Art. 90 Abs. 2 GG in der vom 1.1.1970 bis 19.07.2017 gültigen Fassung) durchgeführt wurden, sind durch das betreffende Land - nicht durch die Bundesrepublik Deutschland - zur Insolvenztabelle anzumelden und festzustellen.
Normenkette
GG Art. 85, 90 Abs. 2; InsO § 181
Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 14.12.2021; Aktenzeichen 4 O 427/20) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Auf die Berufung der Klägerinnen wird das am 14.12.2021 verkündete Urteil des Landgerichts abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Forderung, aufgenommen in der Insolvenztabelle im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Baugesellschaft A mbH beim Amtsgericht Wetzlar mit dem Az. ... unter dem Rang mit der Nr. ... in Höhe von 103.665,57 EUR, wird für die Klägerin zu 2. festgestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerinnen als Gesamtschuldnerinnen und der Beklagte jeweils zur Hälfte zu tragen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Beklagte ist mit Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 1.4.2004 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Baugesellschaft A (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) bestellt worden.
Die Insolvenzschuldnerin erhielt im Januar 1999 den Zuschlag für das Bauvorhaben "BAB A...; Brücke1, BW ... (Vergabe-Nummer ...)". Das Bauvorhaben lag im Bundesland1 - dem vormaligen Kläger zu 2. Das Bundesland1 war bis zum 31.12.2020 Straßenbaulastträger. Seit dem 1.1.2021 ist die nunmehrige Klägerin zu 2. u.a. für den Betrieb und die Erhaltung der Bundesautobahnen zuständig.
Die Bauleistung der Insolvenzschuldnerin wurde im November 2002 abgenommen. Im Jahr 2007 - nach der zwischenzeitlichen Insolvenz der Insolvenzschuldnerin - wurde dem Beklagten ein Bauschaden als Gewährleistungsschaden angezeigt. Da der Beklagte nicht in den Vertrag eingetreten war, wurde eine Ersatzvornahme durchgeführt, wofür Kosten in Höhe von 103.665,57 EUR entstanden.
Mit Schreiben vom 10.12.2009 meldete das Bundesland1, vertreten durch die Behörde1, die Kosten der Ersatzvornahme unter Bezugnahme auf die Vergabenummer zur Insolvenztabelle (Amtsgericht Wetzlar, Az. ...) an. Wegen des Inhalts der Forderungsanmeldung wird auf die Anlage K2, Bl. 36 ff. d.A., Bezug genommen.
Die Forderung wurde unter der laufenden Nummer ... in die Insolvenztabelle aufgenommen, als Gläubigerin wurde das Bundesland1, Behörde1, eingetragen. Im Rahmen der Prüfungsverhandlungen wurden die Forderung vom Beklagten bestritten, was ebenfalls in die Insolvenztabelle eingetragen wurde (vgl. Anlage K3, Bl. 38 d.A.).
Mit Schreiben vom 22.7.2016 (Anlage K5, Bl. 42 ff. d.A.) teilte der Beklagte mit, dass auf die Forderungsanmeldung ... ein Gesamtbetrag von 103.660,57 EUR anerkannt werden könne.
Die Klägerinnen haben erstinstanzlich die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle für die Klägerin zu 1., hilfsweise für die Klägerin zu 2. als Rechtsnachfolgerin des Bundeslandes1 begehrt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
In Bezug auf die Klägerin zu 1. sei die Klage bereits unzulässig, weil ihr das Rechtsschutzinteresse fehle. Gemäß § 181 InsO fehle einer Klage auf Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle das Feststellungsinteresse, wenn die Forderung nicht zuvor beim Insolvenzverwalter angemeldet und von diesem geprüft worden sei. Hier liege keine wirksame Forderungsanmeldung durch die Klägerin zu 1. vor. Die Forderung sei durch das Bundesland1 angemeldet worden, dem Schreiben sei eine Vertretung der Klägerin zu 1. nicht zu entnehmen. Die Frage, wer Inhaber der Forderung sei, sei ein zentrales Element und müsse daher Gegenstand der Forderungsanmeldung und des Prüfungstermins sein. Auch sei die Forderungsinhaberschaft hier nicht eindeutig, zumal beide Klägerinnen in hiesigem Verfahren behaupteten, aktivlegitimiert zu sein.
In Bezug auf den hilfsweise für die Klägerin zu 2. gestellten Antrag sei die Klage zulässig, aber unbegründet. Diese sei nicht Forderungsinhaberin und nicht aktivlegitimiert. Unstreitig sei allein die Klägerin zu 1. Auftraggeberin der Insolvenzschuldnerin gewesen. Eine Abtretung sei nicht erfolgt. Der Beklagte habe die Forderung nicht gegenüber dem Bundesland1 anerkannt. Aus dem Schreiben vom 22.7.2016 ergebe sich lediglich, dass der Beklagte die Forderung gegenüber dem Auftraggeber unstreitig stellen wolle, was aber die Klägerin zu 1. gewesen sei, nicht das Bundesland1.
Mit der Berufung verfolgen die Klägerinnen ihr Klagebegehren unverändert weiter.
Sie sind der Auffassung, das Landgericht habe verkannt, dass das Schreiben vom 10.12.2009 eine wirksame Forderungsanmeldung darst...