Entscheidungsstichwort (Thema)
Die freie Bezugsrechtswahl unterliegt nicht der AGB-Kontrolle
Leitsatz (amtlich)
Lässt ein Antragsformular für eine Risikolebensversicherung dem Versicherungsnehmer die freie Wahl, ob und wie er eine Begünstigungserklärung hinsichtlich des Bezugsrechts einer namentlich zu bezeichnenden Person vornimmt, unterliegt die in dem Vordruck enthaltene Wahlklausel nicht der AGB-Kontrolle, da erst die individuelle Ergänzung des Vordrucks durch den Versicherungsnehmer deren wesentlichen Inhalt festlegt.
Normenkette
ALB § 13 Abs. 1; BGB § 305 Abs. 1; VVG § 159 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Gießen (Urteil vom 30.03.2020; Aktenzeichen 2 O 585/19) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Gießen - 2. Zivilkammer - vom 30.03.2020 (2 O 585/19) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits 1. und 2. Instanz, einschließlich der Kosten der Nebenintervention, hat die Klägerin zu tragen.
Dieses Urteil und das mit der Berufung angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Auszahlung der Todesfallleistung aus einer Risikolebensversicherung als Ehefrau bzw. Erbin des Versicherungsnehmers.
Am 27. Mai 2008 beantragte der Versicherungsnehmer X unter Verwendung eines Antragsformulars der Beklagten den Abschluss einer "Fondsgebundenen oder Aktienorientierten Basis-Rentenversicherung (FBRV) und einer Risiko-Versicherung (RG)" bei der Beklagten unter Vermittlung der von dem Versicherungsnehmer beauftragten Versicherungsmaklerin A GmbH, deren Geschäftsführer der Nebenintervenient ist. Bei den Angaben zur Risikolebensversicherung ist zur Bestimmung der Bezugsberechtigung folgendes Feld im Antragsformular vorhanden:
((Abbildung))
Der Versicherungsnehmer trug in dem zur Auswahl und Ausfüllung zur Verfügung stehenden Feld seine damalige Lebensgefährtin, Frau Y, ein, der die Beklagte den Streit verkündet hat.
Die Beklagte erteilte unter der Nr. ... einen Versicherungsschein und ein Policenbegleitschreiben zur Risikolebensversicherung, in dem nur die Streitverkündete als Bezugsberechtigte genannt ist sowie einen weiteren Versicherungsschein für die Basisrentenversicherung unter der Nr. ... : Der Versicherungsnehmer nahm daraufhin die Prämienzahlung auf.
Während des weiteren Verlaufs der Versicherung trennten sich der Versicherungsnehmer und die Streitverkündete. Der Versicherungsnehmer schloss mit der Klägerin die Ehe. Per E-Mail vom 21. Dezember 2017 teilte der Nebenintervenient der Beklagten im Namen und Auftrag des Versicherungsnehmers mit, dass dieser zwischenzeitlich verheiratet sei. Eheurkunde und Antrag auf Änderung des Bezugsrechts würden folgen. Die Risikoversicherung Nr. ... sei nicht mehr vonnöten. Es werde um sofortige Auflösung gebeten. Der Rückkaufswert sei auf das bekannte Abbuchungskonto zu überweisen. Die Beklagte stellte den Vertrag mit Nachtrag vom 01.01.2018 unter Reduzierung der Versicherungssumme auf den Betrag der Klageforderung beitragsfrei. Am 15. März 2019 verstarb der Versicherungsnehmer. Die Klägerin verlangte unter Berufung auf ihre Erbenstellung von der Beklagten die Todesfallleistung, was diese unter Verweis auf das Bezugsrecht der Streitverkündeten ablehnte.
Die Klägerin hat behauptet, sie sei Alleinerbin des Versicherungsnehmers. Der Nebenintervenient habe eine entsprechende Bezugsrechtsänderung zu ihren Gunsten abgesandt. Ihm gegenüber sei die Änderung auch seitens der Beklagten bestätigt worden.
Die Beklagte hat vorgetragen, ihr sei eine Bezugsrechtsänderung weder zugegangen noch habe sie eine entsprechende Bestätigung erteilt. Sie habe die Versicherungssumme im Mai 2019 auf ein Konto der Streitverkündeten bei der Bank1 Kreis1 ausgezahlt.
Der Nebenintervenient hat vorgetragen, er habe die Bezugsberechtigung nicht geändert, da es für den Verstorbenen dafür erhebliche Gründe gegeben habe.
Das Landgericht hat die Klägerin persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll vom 10.02.2020 Bezug genommen (Bl. 153 f. d.A.). Wegen des weiteren Vortrags der Parteien und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Der Nebenintervenient ist dem Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 19.03.2020, eingegangen am 20.03.2020, auf Seiten der Beklagten als deren Streithelfer beigetreten. Mit Urteil vom 30.03.2020 hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin könne mangels eigener Bezugsberechtigung keine Auszahlung der Versicherungssumme verlangen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der diese ihr ursprüngliches Klageziel weiterverfolgt. Die Klägerin trägt zur Begründung vor, sofern man die Bezugsrechtsklausel für auslegungsfähig halte, so ergebe sich bereits hieraus die Intransparenz nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Klausel sei nicht hinreichend bestimmt. Die Unklarheit sei durch eine andere Formulierung vermeidbar...