Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufklärungspflichten einer Rechtsanwältin im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Abgeltungsvergleichs
Leitsatz (amtlich)
1. Erwägt die Mandantin den Abschluss eines Vergleichs, muss ihr ihre Rechtsanwältin dessen Vor- und Nachteile darlegen. Dies gilt im besonderem Maße, wenn es sich um einen Abfindungsvergleich handelt.
2. Bei der Abwägung der Vor- und Nachteile eines Vergleichsabschlusses ist der Rechtsanwältin ein Ermessensspielraum zuzubilligen.
Normenkette
BGB §§ 280, 611, 675; VVG § 81
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 22.12.2017; Aktenzeichen 2-4 O 84/17) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 22. Dezember 2017 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die im Berufungsrechtszug entstandenen Kosten zu tragen.
Das angefochtene Urteil des Landgerichts vom 22. Dezember 2017 und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadensersatz auf Grund einer behaupteten Verletzung anwaltlicher Pflichten.
Die im Jahre 197X geborene und als ausgebildete Beruf1 zuletzt beim Amtsgericht Stadt1 tätige Klägerin erlitt im Jahre 2003 unverschuldet einen Verkehrsunfall, durch den sie erhebliche Gesundheitsschäden davontrug. Auf Grund weiterhin andauernder Beschwerden nach dem Unfall stellte sie sich erstmalig am XX. März 2010 in der Praxis des Herrn A in Stadt2 vor. Zu diesem Zeitpunkt litt sie bereits an einem chronifizierten Schmerzsyndrom nach einer schweren Schleuderverletzung der Halswirbelsäule im Zusammenhang mit dem Unfall aus dem Jahre 2003.
Am XX. Juni 2010 nahm Herr A bei der Klägerin einen operativen Eingriff vor, bei dem die oberen Halswirbelkörper fixiert wurden. Eine medizinische Indikation für diesen Eingriff lag nicht vor.
Am 5. Juni 2011 beauftragte die Klägerin die Beklagten mit der Geltendmachung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen gegenüber Herrn A.
Am 24. Oktober 2011 reichte die Klägerin - vertreten durch die Beklagten - beim Landgericht Stadt2 eine Klageschrift gegen Herrn A ein, die dort unter dem Aktenzeichen .../11 registriert wurde. Sie beantragte, Herrn A zu verurteilen, an sie ein "angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch einen Betrag in Höhe von EUR 50.000,00" nebst näher bezifferter Zinsen und Schadensersatz in Höhe von EUR 16.896,00 zu zahlen, die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Klägerin zu ersetzen und festzustellen, dass Herr A zum Ersatz sämtlicher zukünftiger Schäden aus der fehlerhaften Behandlung verpflichtet sei.
Das Landgericht Stadt2 erhob in jenem Rechtsstreit der Klägerin gegen Herrn A Beweis durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen C. Dieser legte unter dem 6. Mai 2013 sein schriftliches Gutachten vor. Darin führte C u. a. aus (Anlage K 1, S. 35):
"Die Indikation zu dem Ersteingriff durch den Beklagten war ein Fehler. Die Art der Operation (Versteifung von der Hinterhauptschuppe bis zum 4. Halswirbel), die der Beklagte ausgewählt hat, war ebenfalls falsch, weil ungeeignet, um das Therapieziel zu erreichen (wie sich letztlich gezeigt hat) und weil ein zu ausgedehnter Eingriff durchgeführt wurde. Die Ausführung des Eingriffs war ebenfalls fehlerhaft, weil Teile des Implantats in die hintere Schädelgrube und in das Kleinhirn einzudringen scheinen und weil ferner sämtliche Schrauben auf der rechten Seite nicht korrekt liegen, eine davon sogar durch den Wirbelkanal verläuft" [Hervorhebungen im Original].
Am 5. Juni 2013 bestätigte die Beklagte zu 1 schriftlich gegenüber einer Mitarbeiterin des Haftpflichtversicherers des Herrn A - der X Versicherung AG - den zuvor telefonisch abgesprochenen "Termin zur Führung von Regulierungsgesprächen" für Freitag, den XX. August 2013, 10:00 Uhr, in den Räumen der Kanzlei der Beklagten. In diesem Schreiben hieß es u. a.: "Frau B [die Klägerin] wird an diesem Termin teilnehmen, wenn es ihr Gesundheitszustand zulässt. Da die Teilnahme für [die Klägerin] einen erheblichen Organisationsaufwand bedeutet (Anreise aus Stadt2, Organisation einer Übernachtung in Stadt3, Beurlaubung des Ehemanns für zwei Tage, er muss sie chauffieren, der Betreuung der minderjährigen Kinder etc.) wird darum gebeten, von kurzfristigen Verlegungswünschen abzusehen". Zugleich bat die Beklagte zu 1 in diesem Schreiben um eine Abschlagszahlung auf die Schadensersatzansprüche in Höhe von EUR 20.000,00 auf ihr Konto. Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens der Beklagten zu 1 vom 5. Juni 2013 wird auf die als Anlage BLD 13 zu den Akten gereichte Kopie Bezug genommen.
Am 15. August 2013 schrieb die Klägerin an die Beklagte zu 1 eine E-Mail, in der es u. a. hieß: ...