Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Berechtigung zur Weitergabe eines Produktkeys
Leitsatz (amtlich)
1. Ist Erschöpfung eingetreten, erstreckt sich das Recht zum Weiterverbreiten einer Kopie eines Computerprogramms sowohl auf die Weitergabe eines Datenträgers selbst als auch auf die Bekanntgabe des zum Herunterladen des Programms erforderlichen Produktschlüssels.
2. Neben den Voraussetzungen der Erschöpfung, welche insbesondere die erstmalige Einräumung eines zeitlich unbegrenzten Nutzungsrechts gegen Zahlung eines angemessenen Entgelts beinhalten, ist die Berechtigung zum Weiterverkauf daran gebunden, dass der Verkäufer keine Kopie des Computerprogramms zurückbehält.
3. Der Veräußerer genügt dieser Voraussetzung, wenn er entweder die eigene Programmkopie dem Erwerber übergibt oder aber seine eigene Kopie unbrauchbar macht.
Normenkette
UrhG §§ 97, 69c; MarkenG § 24
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 31.07.2015; Aktenzeichen 2-3 O 118/15) |
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Frankfurt am Main vom 31.7.2015 unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beschluss - einstweilige Verfügung - vom 27.5.2015 wird aufgehoben. Auf den Hilfsantrag der Verfügungsklägerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung Folgendes angeordnet:
1.I. Der Verfügungsbeklagten wird bei Meidung von Ordnungsgeld bis 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt,
1.1. ohne Einwilligung der Verfügungsklägerin Dritten durch die Übermittlung von Product Keys (Produkt-Schlüssel in Form von Zeichenfolgen) die Vervielfältigung des Computerprogrammpakets A bestehend u.a. aus den Einzelprogrammen B, C, D, E, F, G, H, I und J zu gestatten, sofern nicht die Verfügungsbeklagte zusammen mit dem jeweiligen Product Key auch ihre (körperliche oder unkörperliche) Programmkopie des Computerprogrammpakets A, an der Erschöpfung eingetreten ist, an den Erwerber des Product Keys weitergibt oder ihre eigene Kopie im Zeitpunkt der Weitergabe unbrauchbar gemacht hat;
2.2. ohne Einwilligung der Verfügungsklägerin im geschäftlichen Verkehr unter Verwendung der Zeichen "A" und/oder "D" und/oder "G" und/oder "F" und/oder "E" bloße Product Keys (Produkt-Schlüssel in Form von Zeichenfolgen) für Computerprogramme der Antragstellerin anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen, sofern nicht die Verfügungsbeklagte zusammen mit dem jeweiligen Product Key auch ihre (körperliche oder unkörperliche) Programmkopie des Computerprogramm pakets A, an der Erschöpfung eingetreten ist, an den Erwerber des Product Keys weitergibt oder ihre eigene Kopie im Zeitpunkt der Weitergabe unbrauchbar gemacht hat.
2.II. Der Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, der Verfügungsklägerin innerhalb von einer Woche ab Zustellung der einstweiligen Verfügung Auskunft zu erteilen über Art und Umfang der Handlungen gemäß dem Tenor zu I., nämlich über
1.1. Namen und Adressen der Vorlieferanten und anderer Vorbesitzer der Product Keys gemäß dem Tenor zu I;
2.2. Namen und Adressen der gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber der Product Keys gemäß dem Tenor zu I;
3.3. Anzahl der gemäß dem Tenor zu I. für das Computerprogrammpaket "A" angebotenen Produkt Keys sowie Anzahl der gemäß dem Tenor zu I. für die vorgenannten Computerprogrammpakete in Verkehr gebrachten Product Keys.
3.III. Der Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, alle Product Keys (Produktschlüssel in Form von Zeichenfolgen) gemäß Tenor zu I. für das Computerprogrammpaket "A" einem von der Verfügungsklägerin zu beauftragenden und von der zuständigen Gerichtsvollzieherverteilerstelle zu benennenden Gerichtsvollzieher zur vorläufigen Verwahrung herauszugeben, bis über deren weitere Behandlung rechtskräftig entschieden oder eine außergerichtliche Einigung der Parteien erfolgt ist.
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
4.IV. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Verfügungsklägerin 1/4 und die Verfügungsbeklagte 3/4.
Gründe
I. Von der Darstellung eines Tatbestands wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Der Sache nach hat sie Erfolg, soweit sie sich gegen die erstinstanzliche Tenorierung zu I.1. und I. 2. nebst den darauf bezogenen Folgeanträgen wendet (unter 1.). Der im Berufungsverfahren eingeführte Hilfsantrag zu I.1. hat dagegen Erfolg; gleiches gilt für den insoweit einzuschränkenden Antrag zu I. 2. sowie die hierauf bezogenen Folgeanträge (unter 2.). Der Verfügungsklägerin (i. F.: Klägerin) steht insoweit auch ein Verfügungsgrund zur Seite (unter 3.).
1. Die Klägerin begehrt ohne Erfolg gemäß ihrem Hauptantrag zu I.1., der Verfügungsbeklagten (i. F.: Beklagte) zu untersagen, bloße Produktschlüssel als Lizenzen für das streitgegenständliche Computerpr...