Leitsatz (amtlich)
Der Eigentümer eines Grundstücks, durch das eine Abwasserleitung des Nachbarn geführt wird, kann von dem Nachbarn die Beseitigung der Leitung verlangen, wenn sie nachträglich zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Grundstücks führt und ein anderweitiger Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage in Betracht kommt.
Verfahrensgang
LG Fulda (Urteil vom 12.05.2004; Aktenzeichen 4 O 539/03) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Fulda vom 12.5.2004 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger nehmen die Beklagten auf Stilllegung eines Abwasserkanals in Anspruch, den die Beklagten durch das Grundstück der Kläger zum öffentlichen Kanal in den ...-Weg verlegt haben.
Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Wegen der Lage ihrer Grundstücke wird auf den Lageplan (Bl. 13 d.A.) Bezug genommen. Die Beklagten sind Eigentümer des Grundstücks ... in H. Bei Errichtung ihres Einfamilienhauses auf diesem Grundstück im Zeitraum 1985/1986 verlegten sie den Abwasserkanal von ihrem Haus in nordwestlicher Richtung durch einen Teil des Grundstücks der Kläger im ...-Weg, H., und anschließend über das Grundstück des Nachbarn L., J.-Straße, H., zur öffentlichen Sammelleitung im ...-Weg, Bereich Wendehammer. Während der Rechtsvorgänger der Kläger der Rohrführung nicht zugestimmt hatte (Bl. 12 d.A.), hatte der Nachbar L. die Verlegung der Rohre über sein Grundstück gebilligt.
Im Jahre 1989 erwarben die Kläger das Grundstück,...-Weg, H. Im Jahre 1992 errichteten sie im Grenzbereich zum Grundstück der Beklagten einen Carport (Bl. 62 d.A.), der über dem Abwasserkanal der Beklagten steht, aber über keine massiven Fundamente verfügt. Streitig ist, ob die Kläger schon seinerzeit Kenntnis von der Existenz des Abwasserkanals erlangt haben. Die Kläger planen nunmehr den Carport durch eine massive Garage mit einem bis zu 1,20 m tiefen Fundament zu ersetzen. Die nur 0,5 bis 1 m tief liegenden Abwasserrohre der Beklagten müssten daher die Fundamente der Garage kreuzen. Die Kläger verlangen deshalb die Stilllegung bzw. Beseitigung der Abwasserrohre der Beklagten.
Mit Bescheid vom 29.8.2002 (Bl. 17 d.A.) forderte der Eigenbetrieb Abwasseranlage der Stadt H. die Beklagten auf, bis spätestens 15.10.2002 ihr Grundstück an den öffentlichen Abwasserkanal in der J.-Straße anzuschließen und den dafür erforderlichen Übergabeschacht herzustellen. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beklagten am 11.9.2002 Widerspruch (Bl. 33 d.A.) im wesentlichen mit der Begründung, dass ihr Grundstück wegen des fehlenden Gefälles nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohen Mitteln an den Kanal in der J.-Straße angeschlossen werden könne. Sie beziffern den streitigen Kostenaufwand für eine Abwasserhebeanlage mit allen Folgearbeiten auf rund 31.000 EUR (Bl. 40/41 d.A.). Mit Schreiben vom 1.10.2003 (Bl. 16 d.A.) teilte der Eigenbetrieb Abwasseranlagen der Stadt H. den Klägern mit, dass er einer Überbauung des Abwasserkanals durch eine Garage nicht zustimmen werde. Ein Widerspruchsbescheid ist bislang nicht ergangen. Die Stadt H. teilte dem Prozessbevollmächtigten der Kläger mit Schreiben vom 14.4.2003 (Bl. 58 d.A.) mit, dass das Verwaltungsverfahren bis zur Klärung des vorliegenden Zivilrechtsstreits, längstens jedoch bis zum 31.12.2005, ausgesetzt wird. Mit der vorliegenden Klage begehren die Kläger die Stilllegung des Abwasserkanals durch die Beklagten. Die Beklagten berufen sich auf eine Duldungspflicht der Kläger, weil der Anschluss ihres Grundstücks an den Kanal in der J.-Straße nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohen Mitteln möglich sei und die Kläger durch den Kanal nicht erheblich beeinträchtigt würden, da sie ihn überbauen könnten.
Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das LG hat durch Urt. v. 12.5.2004 (Bl. 88 ff. d.A.) der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt:
Die Kläger könnten nach § 1004 BGB die Stilllegung und Beseitigung des Abwasserkanals verlangen, weil ihr Grundstück durch den Kanal nunmehr erheblich beeinträchtigt werde. Da die Stadt H. angekündigt habe, einer Überbauung des Kanals nicht zuzustimmen, seien die Kläger in ihrer Baufreiheit auf ihrem Grundstück beeinträchtigt. Dies müssten sie nicht hinnehmen, so dass auch eine Duldungspflicht nach § 30 Hess. Nachbarrechtsgesetz nicht bestehe.
Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten.
Die Beklagten meinen, das LG habe die Duldungspflicht der Kläger nach § 30 Hess. Nachbarrechtsgesetz verkannt. Ein Sachverständiger werde bestätigen, dass die Entwässerung ihres Grundstücks in den Kanal in der J.-Straße nur mit unverhältnismäßig hohen Mitteln möglich sei und die Kläger durch den vorhandenen Kanal nicht erheblich beeinträchtigt würden. Ihr Vertrauen auf den Fortbestand des vorhandenen Kanals gehe daher de...