Leitsatz (amtlich)

Zu den Anforderungen des Entlastungsbeweises nach § 833 S. 2 BGB beim Unfall einer Reitschülerin durch Sturz vom Pferd im Rahmen eines Reitunterrichts.

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 28.01.2003; Aktenzeichen 2/12 O 363/01)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. vom 28.1.2003 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Klägerin beträgt 5.752,03 Euro.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Von einer Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, da ein Rechtsmittel nicht eröffnet ist.

 

Gründe

Die zulässige Berufung der zwischenzeitlich volljährigen Klägerin ist nicht begründet.

Die Voraussetzungen einer Haftung des Beklagten auf Ersatz des materiellen oder immateriellen Schadens der Klägerin aus dem Reitunfall vom 21.9.2000 in der Reithalle des Beklagten sind nicht gegeben.

Eine zum Ersatz des materiellen Schadens verpflichtende schuldhafte Verletzung des Reitunterrichtsvertrages durch die Reitlehrerin X (§ 278 BGB) oder durch den Beklagten selbst ist nicht gegeben, da beiden aus den nachfolgend genannten Gründen kein schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen ist.

Die Voraussetzungen einer Tierhalterhaftung nach § 833 S. 1 BGB sind vorliegend zwar zu bejahen, wie das LG unangegriffen festgestellt hat; der Beklagte hat jedoch den Entlastungsbeweis nach § 833 S. 2 BGB geführt.

Dabei ist nicht im Streit, dass das vorliegend vom Beklagten eingesetzte Reitpferd "Y" als Haustier im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist. Der Beklagte hat zur Überzeugung des Gerichts bewiesen, dass er und die von ihm eingesetzte Reitlehrerin, die Zeugin X, bei der Beaufsichtigung des Pferdes Y die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat.

Der Entlastungsbeweis nach § 833 S. 2 BGB richtet sich gegen die Verschuldens - oder gegen die Kausalitätsvermutung des Satzes 1 (Palandt, BGB, 63. Aufl., § 833, Rz. 14). An deren Widerlegung sind, worauf die Berufung zutreffend hinweist, strenge Anforderungen zu stellen (OLG Frankfurt v. 6.10.1981 - 8 U 96/80, VersR 1982, 908). Andererseits darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass nach Wortlaut und Sinn des Gesetzes die Beobachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ausreicht. Damit wird abgehoben auf den Sorgfaltsmaßstab des § 276 Abs. 2 BGB, wonach die Sorgfaltsanforderungen nach dem jeweiligen Verkehrskreis zu bestimmen sind (BGHZ 39, 283).

Stellt man mithin auf die besonderen Gegebenheiten eines Reitunterrichts und den diesbezüglich allgemein üblichen Standard ab, so darf nicht verkannt werden, dass das Reiten grundsätzlich seiner Art nach mit besonderen Gefahren verbunden ist, insb. auch mit der Gefahr des Sturzes des Reiters vom Pferd. Letzteres kann - auch bei Beobachtung sämtlicher Sorgfaltspflichten in optimaler Weise - nicht in jedem Fall verhindert werden, weshalb z.B. auch das Tragen einer besonderen Schutzkappe zur unbedingten Pflicht des Reiters gehört. Die mit dem Reiten zusammenhängenden Gefahren sind naturgemäß besonders groß beim Erlernen des Reitens, so dass vom Betreiber eines Reitunterrichts sowie dem Reitlehrer die Erfüllung ganz besonderer Sorgfaltspflichten zu verlangen ist. Andererseits dürfen die Anforderungen aber auch nicht überspannt werden. Ausreichend ist die Wahrung der Sorgfaltspflichten, wie sie sich für einen allgemein üblichen, ordnungsgemäßen Reitunterricht entwickelt haben. In diesem Rahmen sind Reitunfälle nicht auszuschließen; der Reitunterricht muss aber so organisiert und durchführt werden, dass die Reitschüler/innen nicht in stärkerem Maß gefährdet werden, als dies bei jedem Reitunterricht naturgemäß der Fall ist (OLG Düsseldorf v. 13.11.1979 - 4 U 77/79, VersR 1980, 270).

Dass der Beklagte bzw. die Zeugin X eine Gefahrerhöhung in diesem Sinne geschaffen und dadurch den Sturz der Klägerin von dem Pferd Y verursacht hätten, hat die Beweisaufnahme jedoch nicht ergeben; vielmehr entsprach nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der vorliegende Reitunterricht, in dessen Rahmen die Klägerin gestürzt ist, in jeder Hinsicht den Anforderungen an einen verkehrsüblichen, ordnungsgemäßen Reitunterricht.

Dabei war das Berufungsgericht gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Beweiswürdigung des LG gebunden. Denn diesbezüglich sind Anhaltspunkte für Fehler oder lückenhafte Feststellungen nicht ersichtlich. Das LG hat in seiner Beweiswürdigung auch nicht gegen Denkgesetze oder allgemein anerkannte Erfahrungssätze verstoßen, sondern jedenfalls eine vertretbare Beurteilung vorgenommen, was für § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ausreichend ist. Insbesondere hat das LG zu Recht darauf hingewiesen, die Aussagen der Klägerin und ihrer Schwester, auf die die Berufung im Wesentlichen abhebt, differierten in mehreren Punkten, weshalb es nicht diesen beiden Aussagen folge, sondern den Aussagen der Zeugen X, Z1 und Z2.

Mithin ist das Berufungsgericht an die landgerichtliche Feststellung gebunden, dass nicht das später in die Rei...

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