Entscheidungsstichwort (Thema)
VW-Diesel-Skandal: Keine Schadenersatzansprüche gegen VW bei Gebrauchtwagenkauf im Dezember 2016 nach Ad-hoc-Mitteilung von VW
Leitsatz (amtlich)
1. Das Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit der Schädigung nach § 826 BGB kann entfallen, wenn der Gebrauchtwagen nach Bekanntwerden des sog. Abgasskandals erworben wurde. Bei einem Erwerb im Dezember 2016 kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Käufer als mittelbarer Geschädigter den Kaufvertrag abgeschlossen hat, weil er hierzu von VW sittenwidrig veranlasst wurde.
2. Die im Zusammenhang mit der Aufdeckung des Abgasskandals ergriffenen Maßnahmen lassen in ihrer Gesamtschau eine Bewertung des Verhaltens von VW als sittenwidrig für Kaufvertragsabschlüsse in der Folgezeit nicht mehr zu.
3. Maßstab für ein ausreichendes Aufklärungsbemühen von VW ist nicht, dass sämtliche Kaufinteressenten hiervon hätten Kenntnis nehmen müssen. Angesichts des Umstands, dass der potentielle Erwerberkreis gerade nicht feststeht und damit notwendigerweise auch dessen konkrete Informationsgewohnheiten nicht bekannt sind, reicht das Eingreifen solcher Aufklärungsmaßnahmen aus, von denen sämtliche Kaufinteressenten mit üblichen Informationsgewohnheiten hätten Kenntnis nehmen können.
Normenkette
BGB § 826
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 03.04.2019; Aktenzeichen 11 O 230/18) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 3.4.2019 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens wird auf 31.150,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt im Rahmen des sog. Abgasskandals von der Beklagten Schadensersatz wegen des Erwerbs eines Pkw VW Modell1, der mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet ist.
Der Kläger erwarb am 18.10.2016 von der B GmbH in O1 einen gebrauchten VW Modell1 zu einem Kaufpreis von 30.650,00 EUR. Herstellerin des streitgegenständlichen Pkw war die Beklagte. Vor dem Kauf war auf den Pkw ein vom Kraftfahrt-Bundesamt genehmigtes Software-Update aufgespielt worden, durch das die Abgasrückführung nur noch in einem einheitlichen Betriebsmodus arbeitet und damit die sog. Umschaltlogik beseitigt worden ist.
Am 22.9.2015 - mithin rund ein Jahr vor dem streitgegenständlichen Kauf - hatte die Beklagte eine Ad-hoc-Mitteilung gemäß § 15 WpHG mit folgendem Inhalt veröffentlicht:
"Volkswagen treibt die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten einer verwendeten Software bei Diesel-Motoren mit Hochdruck voran. [...] Weitere bisherige interne Prüfungen haben ergeben, dass die betreffende Steuerungssoftware auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des Volkswagen Konzerns vorhanden ist. [...] Auffällig sind Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA 189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen. Ausschließlich bei diesem Motortyp wurde eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt. Volkswagen arbeitet mit Hochdruck daran, diese Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen. [...]".
Am selben Tag informierte der Vorstandsvorsitzende der Beklagten hierüber in einer Pressekonferenz.
Anfang Oktober 2015 informierte die Beklagte ihr Händlernetz über die Softwareproblematik und wies die Händler an, alle Gebrauchtwagenkäufer über das Vorhandensein der Umschaltlogik aufzuklären (vgl. Anlage K 4, Bl. 24 d. A.). Sie richtete außerdem auf ihrer Homepage eine Internetseite ein, auf der jeder durch Eingabe der Fahrzeugidentifikationsnummer überprüfen kann, ob das betreffende Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen ist. Hierüber informierte die Beklagte in einer Pressemitteilung vom 2.10.2015. Über die Internetseite wurde außerdem in zahlreichen Medien öffentlich berichtet.
Am 15.10.2015 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt gegenüber der Beklagten an, 2,4 Millionen Dieselfahrzeuge wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen zurückzurufen. Auch hierüber informierte die Beklagte in einer Pressemitteilung vom selben Tag. Mitte Dezember 2015 kündigte die Beklagte öffentlich an, im Januar die vom Kraftfahrtbundesamt angeordnete Rückrufaktion zu starten. Im Februar 2016 schrieb die Beklagte alle betroffenen Halter an und informierte sie über die anstehende Rückrufaktion und die Umsetzung durch Aufspielen eines Softwareupdates.
Der gesamte Abgasskandal war darüber hinaus ab September 2015 Gegenstand einer ausführlichen und umfangreichen Medienberichterstattung.
Hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen und der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (B...