Leitsatz (amtlich)
Für den Fortfall der zugunsten der Schuldnerin aufgrund einer Globalzession bestehenden Einziehungsermächtigung ist zu verlangen, dass der Sicherungszessionar von seinem Recht zum Widerruf Gebrauch macht. Ohne einen Widerruf verliert der Zedent die ihm eingeräumte Befugnis, die abgetretenen Forderungen einzuziehen, nicht ohne Weiteres, wenn er in eine finanzielle Krise gerät, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragt wird und die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet wird. Erst mit Eröffnung des Konkursverfahrens entfällt die Einziehungsermächtigung von selbst.
Normenkette
InsO § 50 Abs. 1, § 51 Nr. 1, § 55 Abs. 2, 2 Nrn. 1, 3, § 170 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 27.05.2005; Aktenzeichen 2 O 512/04) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 27.5.2005 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Limburg a. d. Lahn wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, die keiner Änderung bedürfen, wird zunächst gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Ergänzend ist festzustellen, dass die Schuldnerin gem. Ziff. 3.5 der zugunsten der Klägerin vereinbarten Globalzession vom 30.3/5.4.2000 zur Einziehung der abgetretenen Forderungen berechtigt war und diese Berechtigung von der Klägerin nicht widerrufen worden ist.
Gegen das ihr am 1.6.2005 zugestellte Urteil des LG hat die Klägerin am 21.6.2005 fristgerecht Berufung eingelegt und diese am 1.9.2005 innerhalb der bis zu diesem Datum verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.
Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Einziehung von Forderungen bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Verwertungshandlung des Beklagten nach § 166 Abs. 2 InsO darstelle, die nach § 170 InsO zur Befriedigung des absonderungsberechtigten Gläubigers verpflichten würde. Eine Untersagung des Forderungseinzugs für absonderungsberechtigte Gläubiger nach § 21 Abs. 1 InsO sei hingegen nicht erfolgt. Die Einziehung von Forderungen in vorläufigen Insolvenzverfahren gebe der Klägerin auch keinen Anspruch auf Auskehrung einer Bereicherung als Masseverbindlichkeit, denn § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO setze den Einzug als Insolvenzverwalter und § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO eine Bereicherung der Insolvenzmasse nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus, was beides nicht gegeben sei. Eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 2 InsO scheide aus mangels Übergangs der Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter durch Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 InsO.
Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen Abweisung der Klage aufgrund der Verneinung eines Absonderungsanspruchs nach §§ 50, 51 InsO durch das LG. Zu Unrecht sei das LG davon ausgegangen, dass § 170 InsO dem aufgrund der wirksamen Globalzession zugunsten der Klägerin vom 30.3./5.4.2000 gegebenen Absonderungsrecht nach §§ 51 Nr. 1, 50 Abs. 1 InsO entgegen stehe, da dort lediglich die Abwicklung des Absonderungsrechts geregelt werde.
Der Beschluss des AG Wetzlar vom 8.12.2003 über die Überlassung eingehender Gelder an den vorläufigen Insolvenzverwalter sei rechtswidrig, weil es sich insoweit nicht um eine Sicherung, sondern eine unzulässige Verwertung handele. Die Klägerin habe mit den Zahlungen vom 15.1. und 17.2.2004 nicht auf ihre Rechte aus der Globalzession verzichtet, sondern lediglich aufgrund des vorgenannten Beschlusses Zahlungen ausgekehrt, und zwar nicht aus ihrem eigenen Vermögen, sondern vom Konto der Schuldnerin A GmbH. Das LG habe die Bestimmung des § 407 BGB unzutreffend angewendet, die dem Schutz des Leistenden und nicht dem Schutz des Empfängers, also der hiesigen Schuldnerin bzw. deren Insolvenzverwalter, diene. Masseverbindlichkeiten könne schließlich auch der vorläufige Insolvenzverwalter begründen, und zwar hier in Form von Schadensersatzansprüchen der Klägerin aus §§ 823, 826 BGB wegen Verstoßes gegen das Verwertungsverbot. Neben dem Absonderungsrecht habe die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 55 Nr. 1 InsO. Die zweitinstanzlich von dem Beklagten erklärte Anfechtung der Abtretung aller nach dem 8.11.2003 entstandenen Forderungen sei als neues Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen; außerdem habe der Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen der Inkongruenz und Gläubigerbenachteiligung ebenso wenig schlüssig dargetan wie das Entstehen der Forderungen mit Vertragsschluss.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Klägerin wird auf die Schriftsätze vom 1.9.2005 (Bl. 70-75 d.A.) und vom 14.12.2005 (Bl. 104-107 d.A.) v...