Entscheidungsstichwort (Thema)

Kennzeichenmäßige Benutzung einer Modellbezeichnung für einen Mantel (SAM - Mantel mit Multicolour-Effekt)

 

Leitsatz (amtlich)

Zur markentypischen Hervorhebung einer Modellbezeichnung für einen Mantel, in der der Verkehr gleichzeitig einen Herkunftshinweis im Sinne einer Zweitmarke sieht

 

Normenkette

MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.05.2021; Aktenzeichen 3-10 O 10/21)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 7.5.2021 verkündete Urteil der 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.085,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 1.9.2017 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Erstattung von Rechtsanwaltskosten für eine Abmahnung wegen Markenverletzung.

Wegen des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin verfolgt ihr Begehren mit der Berufung weiter.

Sie beantragt,

das Urteil des Landgerichts vom 7.5.2021 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.085,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.9.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II. Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die Berufung ist zulässig. Entgegen der Ansicht der Beklagten fehlt es nicht an einer wirksamen Berufungsbegründung (§ 520 Abs. 3 ZPO). Die Klägerin hat hinreichend deutlich gemacht, dass sie von einer fehlerhaften Rechtsanwendung ausgeht (§ 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO), weil das Landgericht eine markenmäßige Benutzung mit der Begründung verneint hat, das Zeichen werde als Modellbezeichnung verwendet. Es sei insoweit fehlerhaft von einem Alternativverhältnis zwischen Marke und Modellbezeichnung ausgegangen. Das ist ausreichend. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat die Klägerin es auch nicht versäumt, auf eine alternative Begründung des Urteils einzugehen. Die vom Landgericht verneinte Frage der Verletzung der Werbe- oder Investitionsfunktion stellt keine Alternativbegründung dar. Die Frage musste in der Berufung nicht thematisiert werden, da die Klägerin schon von einer Verletzung der Herkunftsfunktion ausgeht.

2. Die Klage ist zulässig. Die Rechtsverfolgung der Klägerin stellt sich nicht als rechtsmissbräuchlich dar. Ohne Erfolg behauptet die Beklagte im Berufungsverfahren, die Klägerin betreibe die Abmahnung von Modellbezeichnungen als Geschäftsmodell. Dies ergebe sich aus den zahlreichen gescheiterten Verfahren der Klägerin vor dem OLG Frankfurt. Diese pauschalen Angaben sind nicht geeignet, einen Rechtsmissbrauch zu begründen. Ein Markeninhaber muss jeden einzelnen Verletzungsfall verfolgen, wenn er eine Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft seiner Marke vermeiden möchte. Allein die Anzahl der Fälle lässt daher nicht auf ein "Geschäftsmodell" schließen. Im Übrigen ist die Klägerin mit zahlreichen Klagen gegenüber Modellbezeichnungen erfolgreich.

3. Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 2.085,95 EUR nebst Verzugszinsen seit dem 1.9.2017 aus §§ 677, 683 BGB und aus §§ 14 Abs. 6, Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu. Die Abmahnung war wegen Verletzung der nationalen Wortmarke "SAM" berechtigt.

a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht vorliegend den Verletzungstatbestand der Doppelidentität in Betracht gezogen. Die Marke genießt Schutz für Waren der Klasse 25, die Bekleidungsstücke umfasst. Die Beklagte hat in dem angegriffenen Angebot in ihrem Online-Shop "www.(...).com" (Anlage K7) ohne Zustimmung der Klägerin im geschäftlichen Verkehr ein mit der Klagemarke identisches Zeichen ("SAM") im Zusammenhang mit dem Angebot eines Mantels benutzt. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die der Bezeichnung nach dem Bindestrich nachgestellten Wörter "Mantel mit Multicolour-Effekt" nicht in den Zeichenvergleich einzubeziehen sind. Der Verkehr erkennt, dass insoweit eine beschreibende Angabe vorliegt und nicht von einem einheitlichen Gesamtzeichen auszugehen ist.

b) Das Landgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, es könne nicht festgestellt werden, dass die Bezeichnung "Sam" in dem angegriffenen Internetangebot kennzeichenmäßig benutzt werde. Die Beklagte hat die Bezeichnung in dem Angebot nach Art einer Zweitmarke benutzt.

aa) Von einer kennzeichenmäßigen Verwendung ist insbesondere auszugehen, wenn ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs in einem Zeichen den Hinweis auf die Herkunft einer Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Unternehmen sieht (BGH GRUR 2015, 1201 Rn. 68 - Sparkassenrot/Santander; BGH GRUR 2019, 522 ...

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